Indien

Eine Stadt, viele Welten

Das Gateway to India ist das Wahrzeichen der Stadt.

Bombay ist ein Potpourri aus Lifestyle und Armut

Die „Dabbawallas“ liefern Mutters Lunch-Pakete aus. Fotos: jm

Indiens Wirtschaftshauptstadt hat sich in den letzten Jahren drastisch verändert. Zwar trifft man auf hundert Meter im Zentrum immer noch Betelnuss-, Tee-, Zuckerrohrsaft- und Samosa-Verkäufer, Schuhputzer und mindestens einen Wahrsager. Aber die Straßen sind sauber, Heilige Kühe haben Seltenheitswert und selbst die Bettler denken marktwirtschaftlich: Häufig wird ein Kind gemietet, um die Einnahmen zu erhöhen. Während die Verkehrspolizisten mit nicht gegebenen Strafzetteln ihren kargen Monatslohn von 12.000 Rupien, etwa 180 Euro, aufbessern.

Täglich ziehen rund tausend Menschen in die unzähligen Elendsviertel der Stadt, um vom sagenhaften Wirtschaftsboom ein paar Krümel abzubekommen. "Slum-Bewohner machen etwa zwei Drittel von Bombays Bevölkerung aus", sagt Prakash Bapat, der als Dozent an der Universität von Bombay derzeit 37 Studenten als Reiseleiter für deutsche Touristen ausbildet. "Denn die Stadt verspricht Handel, Wirtschaft, Geld."

Die Filmindustrie von Bollywood, diverse Mode-Labels, die älteste Börse Asiens - schon 1875 gegründet - und namhafte Firmen der Chemie- und Informationstechnologie haben ihren Sitz in diesem wirr wuchernden Moloch. Trotzdem oder gerade deshalb klafft die Arm-Reich-Schere so weit auseinander wie früher, als das Kastensystem offiziell noch galt. Damals war der Brahmane vom Unberührbaren so weit entfernt wie heute der Milliardär Mukesh Ambani vom Bettler am Weltkulturerbe Victoria Station. Der Industrielle Ambani hat für sich und seine vierköpfige Familie ein 173-Meter-Hochhaus mit 27 Etagen bauen lassen - mit einem Zoo und einem Wald auf zwei Etagen, mitten in Bombays Zentrum.

Bombay ist nicht nur eine Stadt der extremen Gegensätze. Bombay ist ein Gebilde, in dem viele Welten ihren Platz finden. Sie ist ein Potpourri aus Ethnien und Klassen, aus Lifestyle und Elend. "Der Zustrom von Menschen machte aus Bombay die multikulturellste Stadt meines Landes, in der ebenso viel Englisch gesprochen wird wie Hindi, Marathi oder Gujarati", sagt Prakash.

Und Mumba dominiert seit 1996 wieder den Namen der Stadt, die offiziell Mumbai heißt. Die Schutzgöttin der Fischer, die als erste die Bucht besiedelten, löste den alten Kolonialnamen ab, den die Portugiesen vergaben: Bom Bhaia, "gute Bucht".

Im alten Zentrum mit viktorianischer Architektur und roten Doppeldeckerbussen fühlt man sich zuweilen ein wenig wie in London - allerdings mit mehr Verkehrschaos, bunten Saris, bärtigen Wahrsagern oder fleißigen Dabbawallas. So heißen die Henkelmänner, die täglich Tausende von hausgemachten Lunch-Paketen in den Büros der Stadt ausliefern. Rambhan ist 37 Jahre alt und einer von ihnen: "Indische Mütter können durch uns ihre Männer oder Kinder mit Hausmannskost versorgen, wenn sie weit weg von Zuhause in den Büros von Bombay arbeiten."

Die Harvard-Universität untersuchte das Dabbawalla-System ebenso wie Software-Experten, das Wirtschaftsmagazin Forbes attestierte eine Zuverlässigkeit von 99,99 Prozent, und Prakash bilanziert: "Unsere gigantische und chaotische Stadt kann schließlich nur funktionieren, wenn sehr viele Menschen sehr viele kleine Dinge tun."

Jochen Müssig

Bombay individuell
Für den Besuch einer Stadt wie Bombay bietet sich ein Spezialreiseveranstalter wie Enchanting-Travels an, der maßgeschneiderte Reiseerlebnisse für Individualisten bietet. Das kann eine ganz besondere Unterkunft, ein Treffen mit einem Dabbawalla, einem Priester, oder mit Uni-Dozent Prakash Bapat sein (www.entchanting-travels.de).

Anzeige