Kambodscha

Im Land der Götter

Verwunschen und verwildert präsentieren sich die Tempelanlagen von Angkor Wat.

Verwunschen und verwildert präsentieren sich die Tempelanlagen von Angkor Wat.

Kambodscha: Himmlische Khmer-Könige und irdische Freuden

Im Heart of Darkness ist die sexuelle Orientierung der Gäste Nebensache.

Im Heart of Darkness ist die sexuelle Orientierung der Gäste Nebensache. Fotos: hb

Wer auch immer diese Landschaft gemalt hat: Er war ein großer Künstler. Kurz vor Sonnenaufgang streichelt das Licht der Morgendämmerung die Reisfelder, ein Puzzle aus Fruchtbarkeit in tausendundeiner Schattierung saftigen Grüns. Dazwischen eingestreute Dörfer krönen sich mit einer Haube aus Dunst. Und aus dem Dschungel ragen die Spitzen einer Tempelanlage: Angkor Wat, das wichtigste Heiligtum in der Stadt der Götter.

Noch vor ein paar Jahren war die nahe den Ruinen gelegene Stadt Siem Reap vor allem ein Hangout für Backpacker, die in der „Pub Street“ die Nächte mit Angkor-Bier durchfeierten. Heute logieren viele Reisende stilvoller, im Raffles Grand Hotel d’Angkor mit seinem Kolonialflair oder im Sofitel Golf & Spa Resort. Hier gibt es Croissants und die Menüs des Königshauses, in einem Pavillon über einem Teich mit pinkfarbenen Seerosen.

Kambodscha verändert sich, auch im Kleinen. Öffentliche Liebesbezeugungen sind zwar die Ausnahme. Homosexualität ist indes nicht strafbar. Quasi über Nacht ist deswegen eine charmante queere Szene entstanden. In den Tempeln von Angkor bestaunt Mann tagsüber gigantische Lingas, Monumente zu Ehren der männlichen Fruchtbarkeit.

Monumentale Cocktails gibt es dann in Siem Reap’s Linga Bar, serviert von Männern in Muskelshirts. Nebenan leuchten Lampions: Miss Wong zelebriert das wilde Shanghai der 30er Jahre. Raffinierte Khmer-Küche genießt man im Viroth’s, dessen Besitzer ihre Beziehung nicht verheimlichen. Hotels wie „Cockatoo“ oder „Golden Banana“ verraten schon mit ihrem Namen, um wen sie werben.

Die besten Partys steigen allerdings in der Hauptstadt Phnom Penh, bei den Drag Shows im Blue Chili. „Mein erster Freund war Amerikaner und hatte blaue Augen. Und ich mag scharfes Essen“, erklärt Besitzer Oak Chan den Namen seiner Bar. Dann entschuldigt er sich: Er muss Schminke auflegen und auf die Bühne. Dort präsentieren sich kostümiert die Schönsten der Nacht.

Kambodschas verstorbener Regent Norodom Sihanouk sagte einmal, Schwule und Lesben sollten heiraten dürfen. Nachfolger Norodom Sihamoni hat keine Frau an seiner Seite und war einmal Balletttänzer in Paris. Über die sexuelle Orientierung des Königs spekuliert man in Phnom Penh nicht. Doch mit seiner Thronbesteigung hat sich das Land verändert.

Im Heart of Darkness, dem berühmtesten Club, tanzen die Leute an sieben Tagen der Woche bis zum Morgengrauen – hier wurde auch die erste Gay Pride des Landes zelebriert. „Plötzlich ist Kambodscha schwul geworden“, meint Betreiber Samnang Pen, „die Leute verstecken sich nicht mehr.“ Dann lächelt er und sagt mit einem Augenzwinkern: „Ich mag lieber Kartoffeln als Reis.“ Übersetzt heißt das: Wie viele Khmer, freut auch er sich über Besucher aus Europa.
Helge Bendl