Philippinen

Manila: Strampeln statt Stau

Mit dem Fahrrad durch die Megacity

Wenn Jessie Mendoza redet, dann bewegen sich seine kräftigen Hände pausenlos. Fast scheint es, als wolle er ein Orchester dirigieren. Seine Gesten unterstreichen die Bedeutung seiner Sätze. Doch Jessies Hände sind nicht nur beim Reden wichtig, noch bedeutsamer sind seine Handzeichen, wenn er auf einem kleinen orangefarbenen Klapprad vor Touristen herfährt, die sich auf ein ganz besonderes Abenteuer eingelassen haben: eine Fahrradtour durch die chronisch staugefährdete 20-Millionen-Metropole Manila. Eine Stadt, die Dan Brown in seinem Buch „Inferno“ als „Tor zur Hölle“ bezeichnet hat.
Bevor die Fahrradtour startet, gibt Jessie Überlebenstipps: Ganz entscheidend sind Handsignale. „Jemanden mit der geöffneten Hand zum Anhalten auffordern gilt keineswegs als unhöflich. Hinterher sollte man sich dann aber auch mit einem nach oben gehaltenen Daumen bedanken“, erklärt Jessie, und demonstriert die wichtigsten Gesten, die notwendig sind, um den wirren Verkehrsdschungel der philippinischen Hauptstadt in eine freundliche Umgebung zu verwandeln. 
Das Verrückteste an diesen Tipps ist: Sie funktionieren. Das merken wir bereits auf dem ersten Abschnitt unserer Tour, der Fahrt vom Stadtteil Pasay zum Rizal-Park: Jeder schaut, keiner fährt stur vor sich hin. Verkehr in Manila, das bedeutet umfassende und ständige Kommunikation. Trotzdem gilt es natürlich, wachsam zu sein: Wir teilen uns die Straße schließlich mit Motorrädern, Bussen und Trikes, mit Jeepneys und Autos, zuweilen sogar mit Pferdekutschen. 
Nach einem Stopp am Rizal-Park, einer grünen Oase in der Stadt, geht es in das von Mauern umgebene Viertel Intramuros. Es war der Sitz der spanischen Kolonialregierung, die rund 300 Jahre lang auf den Philippinen herrschte.
Dass asiatische und europäische Kultur in Manila stark verwoben sind, zeigt unser Halt an der San-Augustin-Kirche. Vor der ältesten Kirche der Stadt thronen zwei steinerne chinesische Löwen, einer davon, der männliche, hält einen Ball zwischen den Pfoten. „Seit die Steinlöwen aufgestellt wurden, wurde die Kirche, die vorher mehrmals niedergebrannt ist, nie wieder zerstört“, beteuert Guide Jessie. 
Nachdem wir den Sonnenuntergang an der Manila Bay bewundert haben, kehren wir kurz vor 19 Uhr, bereits im Dunkeln, wieder nach Pasay zurück. Ein letztes Mal setzt Jessie seine linke Hand ein, um den Verkehr zu stoppen, ein letzter erhobener Daumen als Dankeschön – dann sind wir bei dem kleinen Restaurant, in dem wir die Klappräder abgeben.
Das vermeintliche Tor zu Hölle – für uns war es heute der interessante und kurzweilige Schauplatz einer abwechslungsreichen vierstündigen Sightseeing-Tour. 
Rainer Heubeck
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