Der Bundesstaat ist mit seinen Palästen und Elefanten, der Wüste und den Kamelen der vielleicht schönste Indiens
Udaipur am Pichola-See muss die Stadt eines Herrschers, eines Maharanas sein: Der City Palace ragt steil wie eine Felswand vom Ufer empor. Im Innenhof posieren mächtige Elefanten, auf deren Rücken die Soldaten Jahrhunderte lang in die Kriege zogen.
Und im See spiegelt sich der Lake Palace, die einstige Sommerresidenz, die 1983 weltbekannt wurde, weil sich James Bond dort mit „Octopussy“ und einer Horde attraktiver Leibwächterinnen vergnügte. Er ist heute ein Taj-Hotel. Erst unlängst wurde ein runder Geburtstag aus der New-Delhi-Geld-Society gefeiert. Der Jubilar ließ niemand Geringeren als Shakira zum Happy-Birthday-Singen einfliegen.
Wieder an Land und zurück in der Realität, sieht man, wie Frauen ihre grellbunten Saris am Seeufer waschen und draußen vor den Stadttoren wartet wie jeden Tag die Landbevölkerung am Straßenrand auf Arbeit. So ist Indien, das Land der harten Kontraste, das so einfach nicht zu fassen ist. Millionäre und Wanderarbeiter, Pop-Star Shakira und Frauen, die im Straßenbau arbeiten oder Wäsche klopfen.
Der eigenwillige Rauch von Beedies liegt in der Luft. Diesen Indien-typischen Tabak, gewonnen aus dem Ebenholzblatt und zigarettenähnlich gedreht, rauchen ein paar Hirten mit dunkelgelben Turbanen. Die Lämmchen werden auf der Suche nach dem nächsten Weidegebiet in Säcke verpackt und auf den Rücken von Eseln transportiert.
Nur ihre Köpfchen schauen heraus. Traktoren fahren kühlerhaubenfrei übers Land und beschallen aus großen, fest installierten Boxen mit Hindu-Pop ihre nähere Umgebung. Viersitzige Jeeps transportieren 20 Menschen und mehr. Kamele schaukeln wie Schiffe Güter jeder Art durch die Dörfer. Frauen, die Reisig oder manchmal auch noch Wasserkrüge auf dem Kopf tragen, wandeln kerzengerade ihres Weges. Doch Rajasthan wäre nicht Rajasthan, wenn das Stakkato der Eindrücke nicht noch getoppt würde durch seine farbenfrohen Städte: Jodhpur, die blaue Stadt mit dem Blau der Brahmanen.
Jaisalmer, die schöne, abgelegene Wüstenstadt trägt sogar den Beinamen die Goldene Stadt. Die Kaufleute konnten sich an diesem Handelsknotenpunkt der Karawanenstraßen schließlich feinste Verzierungen an Fassaden und Türrahmen leisten und zeigten so ihren Wohlstand.
Die Fensterläden wurden aus Sandelholz gefertigt und sind zum Teil original erhalten. Und es gibt ein Jaipur, das den Beinamen Pink City trägt und berühmt ist für den Palast der Winde, jene filigran verzierte Scheinfassade, hinter der die Frauen aus mehr als 900 Fenstern dem öffentlichen Leben zuschauen konnten, ohne gesehen zu werden. Der rötliche Sandstein gab der Stadt die Grundfarbe.
Doch erst als die Altstadt 1853 zu Ehren des Besuchs von Prinz Albert von England einen neuen Anstrich in Rosarot erhielt, kam der Begriff Pink City auf. So ist Rajasthan. So ist Indien.