Japan

Osaka: Nippon kann auch anders

Hippie-Jungs mit windschnittigen Frisuren bevölkern die Gassen der japanischen Großstadt

Die drittgrößte Stadt des Landes ist frech, laut und aufregend

Das Wahrzeichen der Stadt: die Burg von Osaka. Bilder: fh

Osaka liegt rund 500 Kilometer westlich von Tokio – kulturell gesehen sogar noch ein Stück weiter weg. Die Unterschiede sind selbst für Japan-Anfänger sichtbar: In der Fußgängerzone Dotonbori schlendern Gruppen junger Angestellter im Business-Anzug – mit farbigen Igelfrisuren, die in Tokio wohl als Kündigungsgrund durchgehen dürften, in Osaka aber keinen zweiten Blick wert sind.
Die forsche Art ist auch akustisch bemerkbar: An den Fassaden flackern nicht nur Leuchtreklamen, sondern plärren auch Komiker auf überdimensionalen Bildschirmen ihre Gags von den Hauswänden. Das kommt nicht von ungefähr: Viele japanische Comedians stammen aus Osaka, wo eine „große Klappe“ zur Grundausstattung gehört. Auch die typisch japanische Zurückhaltung legen die Stadtbewohner nur selten an den Tag.

So trendy die Konkurrentin Tokios sein mag, Osaka ist im Alltag immer ein wenig schriller – und genussfreudiger. Gigantische Kugelfisch-Attrappen baumeln über Restaurants und werben für die Spezialität, die bei falscher Zubereitung tödlich sein kann. In „Japans Küche“, so der Spitzname Osakas, kann das niemanden schrecken. Außerdem gibt es zahllose andere ungefährliche Spezialitäten. Abends duftet es auf der Dotonbori nach Takoyaki-Tintenfischbällchen und würzigen Okonomiyaki-Pfannkuchen.

Die historischen Sehenswürdigkeiten wie die Burg oder der buddhistische Shitennoji-Tempel geraten dabei fast in den Hintergrund. Zugegeben, so ganz original sind beide nicht mehr, vor allem die Burg musste mehrfach nach Feuerkatastrophen neu aufgebaut werden. Typischer sind die kleinen Schreine und Tempel, die neben den Hauptstraßen warten.

Zum Beispiel der buddhistische Tempel Hozenji aus dem Jahr 1637. Mit Moos bewachsen ist sein im Fokus stehender Bewohner, der buddhistische Heilige Fudomyo. Nur die Statue überlebte die Bombardements des Zweiten Weltkriegs, während der gesamte Bezirk in Schutt und Asche gelegt wurde. Den Bewuchs erklärt das nicht. Das Rätsel löst sich, wenn Passanten einen Stopp am Tempel einlegen und nach einem Gebet die Statue mit Wasser aus dem Brunnen benetzen.

 In den Untergrund zu gehen, hat in Osaka nichts Subversives. Tausende tun es täglich – um einzukaufen, zu essen oder zu bummeln. Unter dem Business-Viertel Nord-Osaka zieht sich ein Labyrinth an unterirdischen Shopping-Galerien, allein die Umeda Shopping Arcade zählt 1.200 Geschäfte, ein Tunnelsystem voller Boutiquen, Souvenirshops, Buchläden, Restaurants und den typisch japanischen Krimskrams-Läden – eine Herausforderung für den Orientierungssinn.

Gut, dass die Menschen in Japans drittgrößter Stadt nicht schüchtern sind und den Ausländer schon mal von sich aus fragen, ob er sich verlaufen hat. Alternativ genügt ein dezentes Lupfen des Stadtplans, ein verwirrter Blick und schon springt der erste englischsprachige Passant herbei, um das verlorene Schaf wieder in die richtige Richtung zu drehen. Verhungern müsste der Tourist in Osaka sowieso nicht – auch unter der Erde ist jeder zweite Laden natürlich ein Imbiss.

Francoise Hauser