China

Jangtse: Am gebändigten Fluss

Bei einer Kreuzfahrt auf dem Jangtse sieht man immer wieder kleine Fischer- und Ausflugsboote. Foto: cq19690527/pixabay

Der Jangtse-Staudamm hat die Landschaft verändert – besonders beeindruckend erlebt man die Gegend auf einer Kreuzfahrt

Die 56 Meter hohe Shibaozhai-Pagode. Foto: M. Katz

Ruhig gleitet die Century Paragon über den Jangtse. Ein Elektromotor treibt sie voran. In Chongqing, einer Metropole mit zehn Millionen Einwohnern, ist das Fünf-Sterne-Kreuzfahrtschiff gestartet.
Nun durchquert das Schiff die Bergwelt im Hinterland. Weiden, Zypressen und Kiefern bedecken die Hänge wie grüne Teppiche. Aus dem Morgennebel am Flussufer ragen alte Grabmale, Häuser mit schwarzen Schindeldächern, ein Terrassenfeld.

Ein Bauer, den Strohhut tief ins Gesicht gezogen, treibt sein Rind mit einem Pflug vor sich her. Er blickt auf das Kreuzfahrtschiff und setzt die Feld‧arbeit fort. Es gleitet ja öfter eines vorüber.
Für die Passagiere gibt’s viel zu sehen. „Seit dem Bau des Drei-Schluchten-Staudamms denken Ausländer, eine Jangtse-Kreuzfahrt sei nicht mehr so spektakulär, aber das stimmt nicht“, sagt Schiffs-Manager Jack Xiong in perfektem Englisch.

Der Jangtse ist der längste Fluss Chinas. Er misst etwa 6.300 Kilometer, entspringt im Qinghai-Tibet-Plateau und mündet bei Shanghai in das Ostchinesische Meer. Ein Transportweg, der, seit Errichtung des Damms im Jahre 2003, auf der Hauptstrecke der Jangtse-Kreuzfahrten zwischen Chongqing und Yichang ein neues Gesicht bekam: atemberaubende Talengen, ein Dutzend Inseln in dem entstandenen 600 Kilometer langen Stausee.

Schon immer machte der Jangtse Ärger. Er überspülte Städte, flutete Gebiete, gefährdete die Bootsleute. Zwar hatte sich Mao Tse-tung in den 1950er Jahren auf die Option eines Dammbaus konzentriert und Untersuchungen in der Region angeordnet, um den wilden Fluss zu bändigen. Doch dann begann die Kulturrevolution. Der Plan der riesigen Talsperre wurde verworfen.

Als die Regierung den Staudammbau 1994 ausrief, war das eine Erlösung für die Schiffer und die Bewohner in den überfluteten Orten am Jangtse-Unterlauf – auch Xiongs Familie in Wuhan sah das so. Doch das Mammutprojekt veränderte die Landschaft in beispielloser Weise.

Ein Wasserkraftwerk entstand, das die Strommenge von 15 Atommeilern erzeugt und die Kreuzfahrer zum Staunen bringt. Eine fünfstöckige Schiffsschleuse ist zu überwinden, in der die Century Paragon eine Höhe von 110 Metern passiert. Mehr als eine Million Menschen mussten dafür weichen. Als einer der Orte wurde Fengdu unter den Fluten begraben, doch seine berühmte Totenstätte, die Geisterstadt, blieb verschont. Die Shibaozha-Pagode, ein Glanzstück chinesischer Architektur, wird heute durch eine Mauer geschützt.

Schon in der Tang-Dynastie im achten Jahrhundert schrieben Dichter über die Schönheit der Drei-Schluchten-Region. Über die bezaubernde Qutang-Schlucht, die heute mit acht Kilometern Länge, 100 Metern Breite und bis zu 1.000 Meter hohen Felswänden als spektakulärste der drei Talengen auf dem Zehn-Yuan-Schein prangt.

Auch Maler brachten die Gegend zu Papier. Liu Zhuo Zhong schuf über 18 Jahre ein 100 Meter breites Wandbild der Drei-Schluchten-Landschaft. Er zeichnete Orte, zog eine Linie, die den heutigen Wasserstand markiert, und zeigt so, was in den Fluten verschwand. „Ich möchte nun kein Urteil darüber abgeben, ob der Staudamm gut oder schlecht ist. Ich möchte nur Tatsachen an spätere Generationen weitergeben“, erklärt er vorsichtig. Sie machen beklommen. Der alte Mann hat auch ein Mahnmal geschaffen.

 

Wer bietet Fluss-Touren an?
China Tours und Ikarus Tours haben die Kreuzfahrt im Rahmen einer 15-tägigen China-Rundreise im Programm. Bei Gebeco ist sie Teil einer 14-tägigen Tour, bei Studiosus gehört sie zu einer 15-tägigen Studienreise. Tischler Reisen bietet eine viertägige Fahrt als englischsprachige Gruppentour an.
Nicko Cruises kombiniert seine 15-tägigen Jangtse-Reisen mit Peking und Shanghai.

Martina Katz
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