Taiwan

Kuba in Asien

Taiwan fasziniert mit kleineren und größeren Wasserfällen. Foto: happypixel19/pixabay

Das Volk der Tsou zeigt Touristen sein Heiligstes

Mit lässiger Adidas-Hose und traditioneller Oberbekleidung: der junge Aitan vom Volk der Tsou

Mit lässiger Adidas-Hose und traditioneller Oberbekleidung: der junge Aitan vom Volk der Tsou. Foto: mg

Aitan kennt die alten Zeiten nur aus Erzählungen. Sein Großvater gehörte zur letzten Generation, die traditionelle Riten zu 100 Prozent befolgte. Dazu zählte auch ein brutaler Stammesritus: Um sie zu Männern zu machen, wurden die 17-jährigen Jungen des Tsou-Stammes in den Lishan-Bergen während eines Festes mit Peitschen aus Rattan geschlagen.

Wer bis zu diesem Alter kaum Verfehlungen hatte, kam halbwegs glimpflich davon. Wer sich viele leistete, wurde nicht selten bis zur Ohnmacht verprügelt. Aitan muss schmunzeln: „Mir wäre es vermutlich nicht sehr gut ergangen.“

Die Tsou sind einer von 116 indigenen Stämmen Taiwans, die bis heute noch auf der Insel leben. Mit 500.000 Angehörigen stellen sie unter den 25 Millionen Taiwanern eine der größeren Minderheiten. Heute sind sie anerkannt, doch sie haben schwere Zeiten hinter sich.
Wie in vielen Regionen der Welt litten auch sie unter Einwanderung und Kolonialismus. Vor allem die Japaner setzten ihnen heftig zu und wiegelten Stämme gegeneinander auf.

Auch in den Jahren nach der Gründung der Republic of China, wie das einstmals portugiesische Formosa nach der Flucht Chiang Kai-Sheks aus dem kommunistischen Festland-China genannt wurde, ging es ihnen nicht gut. Doch die Zeit der Unterdrückung und Bevormundung ist vorbei.

 

Eine anerkannte Minderheit in Taiwan
Heute sind die Tsou als Minderheit anerkannt, können ihre Kultur und Sprache pflegen und freuen sich über das Interesse der Touristen.

Aitan ist mit Turnschuhen und Adidas-Hose gekleidet, einem farbigen traditionellen Oberteil und Federschmuck. Der stand symbolisch für die Stärken des Mannes als Jäger: Je nachdem, ob die Federn von diesem oder jenem Vogel stammten, wusste man, mit wem man es zu tun hatte.

Aitan hat die Federn eines Adlers gewählt. „Ich habe ein sehr gutes Auge“, sagt er, nimmt den Bogen und schießt einen Pfeil mitten in ein Schwein, das in 15 Metern Entfernung auf ein Blatt Papier gedruckt ist.

Sein Großvater hat genau auf diese Art in den Wäldern gejagt, heute nutzen die Tsou dafür Gewehre und Fallen. Sie sind die Einzigen, die hier jagen dürfen und dafür sorgen, dass sich Schweine und Damwild nicht allzu sehr vermehren.

 

Alte Traditionen für Touristen
Pfeil und Bogen sind heute nur noch für Touristen da, die versuchen, ähnliche Treffer zu erzielen wie Aitan. Zuvor haben wir Schwingen gebastelt, mit denen bei geschickter Handhabung ein lautes ‧Surren erzeugt werden kann. So haben sich Aitans Vorfahren gegenseitig vor Gefahren gewarnt. Diese gingen etwa von Braunbären aus.

Von den Tieren soll es in der Lishan-Region heute noch 500 geben soll. Gefährlich war aber auch, dass die Stämme oftmals untereinander im Clinch lagen. Festivals wie „Die Köpfe des Feindes“ oder schlicht „Kriegsfest“ zeugen heute von dieser Geschichte.

Letzteres wird über mehrere Tage gefeiert, im Fokus stehen junge Männer. Zentrum des Fests ist ein Gebäude namens Kuba. Der Name ist identisch mit der Karibikinsel, von Rum und Salsa ist man hier jedoch meilenweit entfernt: Der Ort ist ein heiliger Versammlungsplatz der Männer, Frauen haben keinen Zutritt. Mitfeiern dürfen sie dennoch, genauso wie Touristen.

 Vermarktet werden die Feste nicht mehr, Gäste müssen Termine bei regionalen Agenturen erfragen. „Wir haben sie früher ins Internet gestellt und sind dann überrannt worden“, sagt Aitan.

Inzwischen hat sich das relativiert. Zum Schluss unserer Tour steht Aitan vor dem Minibus und singt ein Lied in der Sprache seines Volkes. Es klingt wehmütig und trifft damit genau unsere Stimmung. Wir kommen gerne wieder.

 


Die Lishan-Berge
gehören wegen der großartigen Landschaften und uralter riesiger Zypressen, die die Japaner trotz eines gewaltigen Kahlschlags vor rund 100 Jahren übrig gelassen haben, zu den Highlights in Taiwan. Ein Besuch bei indigenen Stämmen kann über örtliche Agenturen organisiert werden. Den Kontakt stellt das Fremdenverkehrsamt her, Infos unter www.taiwantourismus.de. Dort ist auch ein Reisebüro-Kontakt hinterlegt. Touren durch die Region bieten zudem Veranstalter wie ASI Reisen, Lernidee, Ikarus Tours, Diamir, Studiosus und Schulz Aktiv Reisen an.

Matthias Gürtler
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