Die traditionelle Tätowierkunst der Maori erlebt seit Jahren eine Renaissance
Tätowierungen sind für mich wie Lebensgeschichten“, sagt Gordon Toi. „Wenn ich jemanden ohne Tattoo sehe, ist er für mich wie ein weißes Laken. Ich frage mich: Hat er keine Geschichte, die er mir erzählen kann?“
Der vom Unterschenkel bis zum Kinnbart tätowierte Maori, Inhaber des Tätowier-Studios „House of Natives“ in Aucklands geschäftigem Vorort Mangere, streicht sich über den reich verzierten Oberarm. Gordon Tois Haut kann wahrlich viele Geschichten erzählen.
„Mein erstes Tattoo ließ ich mir mit 18 stechen“, sagt der 52-Jährige. „Ein europäisches Tattoo: Ein Adler mit einem Herz in den Klauen. Wie bescheuert! Inzwischen ist es unter dem Drachen hier verschwunden. Damals hat man bei den Tattoos der Maori noch die Nase gerümpft. Als ich klein war, kann ich mich nur an ein paar alte Frauen erinnern, die noch das traditionelle Kinntattoo hatten.“
„Jahrhundertelang wurde die Kultur der Maori von Kolonisierung und Religion unterdrückt“, sagt Toi. „Inzwischen erlebt die alte Kunst eine wahre Renaissance. Immer mehr Leute wollen ein Ta moko und werden so zu Botschaftern in aller Welt.“ Aus Ostpolynesien kommend waren die Maori wahrscheinlich im 13. Jahrhundert in Neuseeland gestrandet und brachten von dort ihre Tätowierkunst mit.
„Pflanzen, Vögel, Fische, Wind, Regen, die Kraft des Ozeans – die Inspiration der Maori war immer ihre natürliche Umgebung und spirituelle Erfahrung“, sagt Toi. Auf seinen Oberarmen ragen Anspielungen an Fregattvögel, Hammerhaie und Hundezähne ineinander. Sie stehen für seine Herkunft und Veränderungen im Leben.
Wer das Neuseeland kennen lernen möchte, das die Maori einst entdeckten, als sie mit ihren Kanus in Aotearoa, dem „Land der langen weißen Wolke“ strandeten, erkundet am besten die Südinsel.
Im Kahurangi-Nationalpark im wilden Nordwesten hat sich der ursprüngliche Farnwald fast wie zur Zeit der ersten Eroberer erhalten. Wer es abenteuerlicher mag, steigt auf die schneebedeckten Gipfel in Fiordland, im Mount-Aspiring-Nationalpark oder erklimmt gleich den majestätischen Mount Cook, mit 3.724 Metern der höchste Berg des Landes.
Noch weltabgeschiedener erscheint Stewart Island, die drittgrößte Insel ganz im Süden des Landes. Hier kann man tagelang entlang menschenleerer Küsten wandern und in einen der dichtesten Urwälder Neuseelands eintauchen.
Nicht selten landen begeisterte Neuseeland-Touristen vor ihrer Rückreise noch schnell in einem der Tätowier-Studios wie dem von Gordon Toi. Euphorisch von all den neuen Eindrücken und Begegnungen lassen sie sich vor ihrer Abreise zurück in den Alltag noch ein Stück neu entdeckter Lebensgeschichte in die Haut stechen.