Dänemark

Jütland: Gegen den Strom

Im Winter sinken die Preise für Ferienhausurlaub in Dänemark. Foto: ruemue/pixelio

Im Winter sinken die Preise für Ferienhausurlaub in Dänemark. Foto: ruemue/pixelio

Dänemark im Winter – Ferienhausurlaub zur „falschen“ Jahreszeit

Er hat aufgehört zu singen. Ganz plötzlich, irgendwann mitten in der Nacht. Auf einen Schlag ist es still geworden. Niemand drückt mehr gegen die großen Fensterscheiben des Wohnzimmers, rüttelt an den Türen, kriecht um die Ecken des Holzhauses, pustet von oben in den Schornstein des gusseisernen Ofens.

Der Sturm hat sich gelegt, der Wind sein Nachtkonzert beendet – so plötzlich wie er es begonnen hatte. Manchmal schien es, als wollte der Wind das Ferienhaus hinter den breiten Dünen bei Hvide Sande einfach mitnehmen und irgendwo anders wieder absetzen. Er hat es nicht getan.

Es wäre auch schade gewesen, dann da, wo es steht, passt es perfekt hin: drumherum diese sandigen Hügel, an die sich Grasbüschel klammern, dazwischen ein paar Fahrwege gesäumt von gelben, roten und dunkelblauen Ferienhäusern, in hundertfünfzig Meter Entfernung wie ein lang gezogener Riegel die vorderste Dünenreihe, davor breiter Strand, auf dem die wintergrauen Wogen der Nordsee ausrollen.

Die Hafenstadt Esbjerg ist gut sechzig Kilometer Richtung Süden entfernt und bis hinauf nach Skagen im äußersten Norden wären es von hier aus noch gut zwei, zweieinhalb Fahrtstunden. Ein gut achthundert Meter breites Band aus Erde und Sand, aus Dünen und Wiesen trennt den Ringkobing-Fjord von der Nordsee und macht ihn fast zu so etwas wie einem großen See unmittelbar hinter der Küstenlinie.

Gut 35 Kilometer lang ist dieser Streifen Land, der dem Meer trotzt: windumtost, von Stürmen geformt. Die Wurzeln der Gräser und der Kiefern, die sich hier in den Sand krallen, helfen die Dünen an Ort und Stelle festzuhalten. Gespickt ist dieser schmale Streifen aus grünen Hügelchen mit Ferienhäusern. Sie kauern sich in die Mulden, die Dünen, hinter die Kiefernschonungen. Und jedes davon ist nur einen kurzen Spaziergang von der Nordsee entfernt.

Still ist es hier um diese Jahreszeit – außer es schaut gerade mal wieder ein Sturm vorbei. Nur ein kleiner Teil der Häuser ist bewohnt, kaum ein Mensch beim Spaziergang durch die Dünenlandschaft anzutreffen. Beim Fischmann in Hvide Sande ist Zeit für einen radebrechenden Plausch, im Räucherfisch-Laden am Hafen kein Schlangestehen angesagt. Erst zu Ostern wird es hier wieder voller werden. Erst dann muss der Krämer an der Landstraße beim Bäcker aus der nächsten größeren Ortschaft Norre Nebel mehr als die drei Dutzend Brötchen ordern, die jetzt jeden Tag ausreichen, um alle Kundenwünsche zu bedienen.

Schicke Ferienhäuser mit Whirlpool und Sauna zum Beispiel kosten jetzt oft nur noch 350 Euro pro Woche – statt 1.200 im Hochsommer. Wer Abstriche in der Ausstattung macht und nicht die höchsten Ansprüche an die Lage hat, bekommt brauchbare Häuser sogar schon für 200 Euro pro Woche. „Besser als Leerstand“, sagen sich die Vermieter und nehmen so wenigstens ein bisschen was ein.

Renner beim Kobmand, dem Kaufmann um die Ecke, sind derweil Kaminholz-Gebinde – sechs Euro für einen Arm voller Scheite. Damit macht er in dieser Jahreszeit sein Geschäft, nicht mit den Brötchen. Und mit Kerzen, Teelichtern, Duftlampen.

Helge Sobik
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