Dänemark

Eisberge wie Bernstein

Von Ilulissat starten Mitternachtstouren durch die Gletscherwelt Grönlands.

Grönland: Zu Besuch auf der größten Insel der Welt

In der Sonne glänzen die Eisberge wie Bernstein. Fotos: al

Überall knackt das elf Grad warme Meer Risse in das Eis. Von oben arbeitet die Sonne fleißig mit. Im Wasser prickelt es wie Brausepulver. Der nahe Gletscher Sermeq Kujalleq schiebt stetig neue Eisberge in das Meer. Sie schwimmen an Ilulissat vorbei wie an Hamburg die Frachtschiffe.

Plötzlich ertönt ein lang gezogenes Knacken, dann ein Knall – und anschließend macht es platsch! Der Eisberg hat gekalbt und ein Stück ist abgebrochen. Eine Wolke aus Schnee umhüllt die Abbruchkante, dann stürzt der Brocken ins Wasser.

Wellen klatschen an das rote Schiff, auf dem die Gäste sich die Decken fest um die Körper gewickelt haben. Obwohl die Mitternachtssonne über Grönland tatsächlich auch um 24 Uhr noch wärmt, ist es zwischen den Eisbergen kühl. Und unwirklich schön. Denn die Sonne lässt die weißen Berge gelb glänzen wie Bernstein.

Die Mitternachtstour gehört zu den wichtigsten Ausflügen in Ilulissat, einer Stadt 250 Kilometer nördlich des Polarkreises. Mit 4.000 Einwohnern ist Ilulissat die drittgrößte Stadt Grönlands und vor allem als Kreuzfahrthafen beliebt. Denn die Passagiere logieren direkt am Eisfjord, sehen dem Unesco-Weltnaturerbe zu oder lassen den Blick über das Panorama kleiner bunter Holzhäuser der Stadt schweifen. Am Hafen üben Kanufahrer, und auf dem Fußballfeld schießen die jungen Menschen selbst mitternachts noch aufs Tor, sogar kleine Kinder bleiben jetzt sehr lange auf.

Wanderfreudige Reisende nehmen die Fähre zur Diskoinsel, die zu den einsamsten Plätzen dieser Erde gehört. Nur gut 1.000 Menschen bevölkern das Eiland, das fast dreimal so groß ist wie Mallorca. Die meisten leben im Hafen von Qeqertarsuaq als Fischer oder Fremdenführer. Doch Letzteren braucht man eigentlich gar nicht. Die Einheimischen schütteln den Kopf: „Nein verlaufen können Sie sich hier nicht.“ Wie auch, wenn man kilometerweit durch die Tundra schauen kann.

Größte Attraktion der Insel ist der Lyngmark-Gletscher. „Er ist die einzige Möglichkeit für eine Hundeschlittentour im Sommer. Am besten gleich oben in einer Hütte übernachten“, rät der Fischer Jørs, der auf der Diskoinsel aufgewachsen ist. Während er das sagt, kaut er auf einem Stück getrocknetem Heilbutt, einer lokalen Spezialität ebenso wie der Seehundbraten, den sich viele Grönländer noch immer selbst schießen.

Auch beim Deutschen Ingo Wolf im Restaurant H8 in Rodebay kommt Robbe auf den Tisch. Hier staunte schon Kanzlerin Angela Merkel über die ausgefallene Speisekarte: Schneehuhnbrust, Moschusochsensteak – und Walfleisch. „Schnitzel können Sie woanders essen“, bemerkt Wolf, der schon seit 15 Jahren in Grönland wohnt.

Es sind auch 15 Jahre ohne Auto, denn Straßen gibt es hier oben nicht. Im Winter müssen die Huskys Schlitten ziehen, im Sommer tuckert das Boot nach Ilulissat, um Butter und Mehl zu besorgen. Doch in der Einsamkeit besinne man sich auf das Wesentliche, meint Wolf. Und vielleicht zieht genau das so viele Menschen nach Grönland.

Andrea Lammert
Anzeige