Der Airport Rovaniemi ist der offizielle Flughafen des Weihnachtsmanns
Der Mann hat einen guten Draht zum Tower und deshalb immer Vorfahrt, wenn er in den Wintermonaten mit seinem Schlitten auf den Rollwegen hin- und herkurvt und auf die gerade gelandeten Maschinen zuhält. Jeder der Flughafenmitarbeiter erkennt den fast zwei Meter großen und nicht gerade schlanken alten Herrn mit seinem spleenigen Gefährt schon von Weitem, lässt ihn gewähren und grüßt kurz im Vorbeifahren.Rovaniemi, die Hauptstadt Finnisch-Lapplands, dürfte den einzigen Airport der Welt haben, wo Vorfeld-Auftritte des Weihnachtsmanns zum Alltag gehören und sich zumindest vom Stammpersonal niemand mehr nach dem grauhaarigen Herrn mit Rauschebart und rotem Mantel umdreht. Auch nicht, wenn er im Schlepp von sechs ausgewachsenen Rentieren vorfährt, neben der Gangway einer Maschine stoppt und jeden einzelnen Passagier mit Handschlag und zünftigem „Ho, ho, ho!“ begrüßt. Der Mann macht bloß seinen Job. Er ist hauptberuflich der echte Weihnachtsmann. Und Rovaniemis winterfester Airport exakt auf dem Polarkreis ist der offizielle Flughafen des Weihnachtsmannes.
Nur ein paar Kilometer vom Airport entfernt residiert er rund ums Jahr in Joulupukin Pajakylä, dem „Dorf des Weihnachtsmannes“, begrüßt dort in seinem „Santa Claus Office“ Kinder, hört sich geduldig unzählige Gedichte an, lobt jeden noch so verhängnisvoll gereimten Vers, lässt sich mit seinen Besuchern auf Wunsch fürs Urlaubsalbum ablichten. Wer keine Kamera mitgebracht hat, kann sich von einem Gehilfen des Weihnachtsmannes mit dem alten Herrn fotografieren und das Foto auf ein T-Shirt drucken lassen.
Seit über 30 Jahren schicken Kinder aus aller Welt Post direkt an „Santa Claus“ am Polarkreis. Fleißige Helfer beantworten Bittbriefe und Wunschzettel, die der Chef anschließend mit Kugelschreiber signiert. Rechtzeitig zum Fest werden die Antworten mit Sondermarke und -stempel auf den Weg gebracht – über 250.000 Briefe jedes Jahr. Das Luftpostaufkommen auf Rovaniemi-Airport steigt im Dezember immens an und ist sehr international.
Der Weihnachtsmann hat sich zur größten Attraktion der Polarkreisregion Finnlands entwickelt. Die meisten seiner multinationalen Besucher schweben per Jet ein – manche nur für einen Tag. Selbst Sonderflüge aus Japan hat es bereits gegeben. In den Monaten Dezember und Januar nehmen etwa 100 Charterjets zusätzlich zu den Linienmaschinen Kurs auf den Flughafen im dann durchschnittlich minus 15 Grad kalten Lappland. An Bord: nichts als Weihnachtsmannbesucher. Und stellt sich der Veranstalter gut mit „Santa Claus“, kommt der betagte Herr höchstpersönlich an der Flugzeugtür vorgefahren – oder mindestens sein Doppelgänger, während der „Echte“ weiter auf dem mit rotem Samt bezogenen Sessel thront und in erwartungsvolle Kinderaugen lächelt.
Die Winterdekoration des modernen Terminals, dessen Architektur bereits zweimal ausgezeichnet wurde, ist ebenfalls ganz dem Weihnachtsmann gewidmet – deckenhohe Tanne und kunstvoll verpackte Kartons mit Schleifchen herum als Geschenkattrappen eingeschlossen. Auch sonst gibt es in den Airport-Geschäften alles, was Herz oder Magen begehren: CDs mit Weihnachtsliedern, Kugelschreiber mit Weihnachtsmann-Logo, geräucherten Rentierschinken oder Bärenpastete im Glas.
Zwei Kinder haben ihn an diesem Abend fast gleichzeitig durch die großen Glasfenster der Wartehalle gesehen: Eben noch waren sie zu Besuch im Weihnachtsmannbüro. Jetzt, kurz vorm Heimflug, rauscht der zeitlose Greis zum Abschied in vollem Ornat mit seinem Schlitten am Flughafen-Panoramafenster vorbei. Er winkt den Kindern zu. Irgendwo bimmeln Glöckchen. Aus der Beschallungsanlage tropft zum dritten Mal binnen zwei Stunden „Jingle Bells“. Draußen fängt es an zu schneien. Minuten später sind die Wolken davongezogen, und am eiskalten Nachthimmel zucken Nordlichter: wie die Funkenspur des am Firmament entlangrasenden Weihnachtsmannschlittens.