Schweden

Wer ist denn eigentlich der Herr Wallander?

Fachwerkidylle in Ystad: Viele der Häuser stammen aus dem 17. und 18. Jahrhundert.

Südschweden: Ein Rundgang durch die Krimikulisse Ystad

Führt Gäste regelmäßig auf Wallanders Spuren durch Ystad: Britt Liljeqvist. Fotos: heu

Leichen liegen vor Geldautomaten und in Vorgärten detonieren Feldminen. Wer die schwedische Stadt Ystad besucht, könnte meinen, er betritt ein höchst gefährliches Pflaster. Doch Mord, Totschlag und Explosionen existieren hier fast nur in der Fantasie. Und haben doch reale wirtschaftliche Folgen, im Tourismus, aber vor allem in der Filmwirtschaft.

Wenn die Fremdenführerin Britt Liljeqvist mit ihren Gästen durch die 17.000-Einwohner-Stadt Ystad spaziert, fungiert ihre Stadt oft nur als Kulisse. Wo ist das Rathaus? Wo steht das älteste Gebäude der Stadt? Solche Fragen stellen Ystad-Besucher in der Regel nicht. Schon eher fragen sie: „Wo ist der Bankautomat?“

Nun ist Ystad zwar klein und überschaubar, aber Bankautomaten gibt es in der Stadt durchaus mehrere. Doch einer davon ist eben besonders – denn von ihm aus wäre um ein Haar der Zusammenbruch des weltweiten Finanzsystems ausgelöst worden. Mysteriös war außerdem, dass ein und dieselbe Leiche gleich zweimal vor diesem Geldautomaten aufgetaucht ist. Wenn sie von diesen Geschehnissen aus dem Roman „Die Brandmauer“ berichtet, ist Britt in ihrem Element – denn sie führt ihre Gäste auf den Spuren des Kommissars Kurt Wallander durch ihre Heimatstadt.

Britt zeigt während ihrer Führung nicht nur Schwedens berühmtesten Bankomaten, sondern auch das Hotel Continental, in dem Kurt Wallander, die Hauptfigur aus den vielfach verfilmten Kriminalromanen Henning Mankells, häufig zu Mittag gegessen hat. Und natürlich die Konditorei Fridolfs, in der sich Wallander regelmäßig einen Koffeinstoß holte.

Die echte Krimi-Action freilich spielte sich an anderen Orten ab, etwa in der Stickgatan-Straße. Dort hat – zumindest in Mankells Fantasie – eine Frau namens Berta Duner gelebt. Und zwar im Haus Nummer 26, einem kleinen rosafarbenen Reihenhaus. In „Der Mann, der lächelte“ wurde Wallander zu Frau Duner gerufen, weil sie verdächtige Veränderungen in ihrem Garten beobachtet hatte, berichtet die Fremdenführerin. Jemand sei da gewesen und habe gegraben. Wallander vermutete zuerst, diese sei eine Katze, ein Maulwurf oder eine Ratte gewesen. Später entdeckte er eine Feldmine.

Kurt Wallander hat in Ystad nicht nur zu einem Tourismus-Boom geführt, dem leicht depressiven Kommissar ist auch zu verdanken, dass Ystad inzwischen die drittbedeutendste schwedische Filmstadt ist. Das liegt vor allem an der schwedisch-deutschen Kriminalserie „Mankells Wallander“ – mit Jan Krister Allan Henriksson in der Hauptrolle. Der Erfolg dieser Serie, die überwiegend in Ystad gedreht wurde, führte dazu, dass sich zahlreiche deutsche Urlauber für die Wallander-Touren interessieren. Seit auch die BBC Wallander-Filme gedreht hat, folgen die Engländer.

Zu Wallander-Führungen, so verrät Britt, die in den vergangenen sechs Jahren mehr als 200 dieser Stadtführungen geleitet hat, kommen häufig echte Fans. So erinnert sie sich an einen Japaner, der nur wegen Wallanders Spuren nach Europa geflogen war. Den Gegenpol bildete ein älterer Herr aus der Schweiz, der sich einer Reisegruppe angeschlossen hatte. Nachdem er bereits eine halbe Stunde an der Führung teilgenommen hatte, meldete er sich schüchtern zu Wort und fragte: „Entschuldigen Sie bitte, aber wer ist denn eigentlich dieser Herr Wallander?“
Rainer Heubeck
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