Finnland

Gemütlichkeit auf Bengtskär

Blauweißer Himmel über weißblauer Flagge: Die Leuchtturminsel bildet Finnlands südlichsten bewohnten Landpunkt.

Am südlichsten bewohnten Punkt von Finnland

Sprossenfenster geben dem Blick aufs Meer einen hübschen Rahmen. Fotos: ds

„Ein einsamer Fels, weit weg von allem anderen“, beschreibt Leuchtturmwächterin Paula ihren Sommerwohnsitz: „Hier ist man mitten auf dem Meer, aber mit den Füßen fest auf trockenem Land.“ Und tatsächlich: Das Inselchen Bengtskär ist nicht viel mehr als ein flacher Granitbrocken in der Schärenlandschaft Südfinnlands, nur zwei Fußballfelder groß.

Doch anders als die unzähligen Schären rundum beherbergt er einen mächtigen Leuchtturm. Wie eine Erscheinung ragt dieser aus dem Wasser, bis das Boot am felsigen Ufer anlandet. Begrüßt von Paula Wilson, einer blonden Mittsechzigerin und charmanten Powerfrau, die voller Geschichten steckt.

„Willkommen, willkommen“, strahlt sie und lädt erstmal auf einen Kaffee mit süßem Brötchen. Typisch finnisch: Kaffee geht immer. Und Paula hat viel zu erzählen, war sie doch eine treibende Kraft, die in den 90er Jahren den langsam verfallenden Leuchtturm aus seinem Dornröschenschlaf wecken half. „Zum ersten Mal kam ich aber schon viel früher nach Bengtskär, frisch verlobt, im Sommer 1968. Es war ein verzauberter Ort.“ Ständig Wind und Wetter ausgeliefert. Ein Ort, der auch ohne rosarote Brille der Verliebten fasziniert. Denn auf dem Eiland gibt es Einiges zu entdecken.

In den Felsspalten stehen Tümpelchen, in denen sich Krebse oder auch kleine Frösche tummeln. Im Frühsommer brüten hier Hunderte Eiderenten, Möwen und andere Seevögel. Und gelegentlich nehmen Robben auf dem rundgeschliffenen Granit ein Sonnenbad. Der gleiche Granit, aus dem 1906 der 52 Meter hohe Leuchtturm erbaut wurde, nachdem wieder einmal ein Dampfer zwischen den Schären Schiffbruch erlitten hatte.

Skandinaviens höchster Leuchtturm ragt aus einem großen Wohngebäude empor – einst musste das Leuchtfeuer sorgsam gehütet werden. Fünf Mann Besatzung und ihre Familien lebten jahrein, jahraus auf Bengtskär. Samt Schweinen und Schafen, erzählt Paula, und einem Gemüsegarten zur Selbstversorgung – bis die Herbststürme ihn regelmäßig hinwegfegten. Heute sorgt Paula für das Grün und Blumen blühen rund ums Gebäude. Die meist fotografierte Pflanze der Insel aber ist die Topfpflanze am Turmfenster, malerisch passend zum Ausblick aufs Meer.

Es geht „nur“ 252 Stufen eine breite Wendeltreppe empor, dann winkt ein grandioser Ausblick durch die Glasfenster des Leuchtfeuers. Hier gibt es immer etwas zu sehen, spiegelglatte See oder peitschende Wellen, kleine Fährschiffe weit unten, die im Sommer neue Besucher ausspucken. Sie kommen auf einen Kaffee oder für die legendäre Fischsuppe von Bengtskär. Auch eine kleine Kapelle lädt ein, neben dem Ein-Raum-Museum zur wechselhaften Geschichte des Baus.

Wer mehr Ruhe sucht, kann sogar über Nacht bleiben – oder gleich ein paar Tage. Trifft vielleicht den wandernden Geist der Lady im roten Kleid. Denn die ehemaligen Quartierräume wurden bei der Renovierung zu einfachen Hotelzimmern. Heute ist Bengtskär fast eine Pilgerstätte: Jeder Finne will einmal im Leben herkommen. Und vielleicht abends in der hundert Jahre alten Granitsauna entspannen. Und dann den Sonnenuntergang genießen.
Dörte Saße