Frankreich

Ein Bett im Wolfswald

Der Unterlauf des Verdon verspricht ruhiges Paddelvergnügen ohne Massenandrang.

Das Var lockt mit unerwarteten Naturerlebnissen

Hoch hinaus für die Nacht: In den Baumhäusern von Monsieur Muret haben bis zu sechs Personen Platz.

Cathrine Fleury produziert Joghurt und Käse aus Schafs-, Ziegen- und Kuhmilch. Fotos: mw

Das dumpfe Orgeln geht durch Mark und Bein. Draußen vor dem weißen Leinenzelt raschelt jemand durchs Laub auf dem Waldboden. Dann wieder dieser tiefe Hall. Nach einem der scheuen Wildfpferdchen klingt es nicht, die gestern Abend grasend auf der Wiese standen. Und die Wisente haben überhaupt keinen Laut von sich gegeben. Es werden doch nicht die Wölfe aus den Bergen abgestiegen sein, um sich ein Frühstück zu holen?

Vorsichtig tapst man zum Zelteingang. In kaum 15 Metern Entfernung steht ein kapitaler Hirsch mit zwölf Enden im Bodennebel und röhrt, was das Zeug hält. Brunftzeit in der Reserve de Monts d’Azur in Thorenc, kaum eine Stunde von Nizza und Cannes entfernt. „Unsere Tiere leben hier zusammen wie am Ende der letzten Eiszeit“, sagt Patrice Longour, als er wenig später nachschaut, ob der Gast mit der Trockentoilette und dem Wassersack klargekommen ist.

Vor zehn Jahren hat der Biologe in einem aufgegebenen Ferienlager 700 Hektar Wildnis geschaffen – den einzigen Park dieser Art in ‧Europa, in dem Mutige zu Fuß auf Safari gehen und sogar übernachten können. Lediglich Drahtzäune trennen die Bewohner der sechs Safarizelte von europäischen Büffeln, Wildschweinen, Przewalski-Pferden sowie einigen Wölfen und Luchsen.

Die Idee kam Longour bei seiner Arbeit in Botswana, wo er die Menschen von der wenig einträg‧lichen Viehhaltung abbrachte. Stattdessen sollten sie mit hohen Camping-Gebühren und als Safari-Guides Geld mit ihrer einzigartigen Natur verdienen. Dasselbe versucht der 55-Jährige nun auch in den Küstenbergen der Cote d’Azur. Wenn es nach ihm ginge, würden die Zäune ums Reservat bald fallen und Wisente und Wölfe endlich wieder so in Europa leben, wie man es auf den berühmten Felsbildern in der Höhle von Lascaux sieht.

Bis es so weit ist, bieten die benachbarten Departements Cote d’Azur und Var auch zahlreiche andere Naturerlebnisse fernab des Jetsets. Zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten gehört fraglos der imposante Canyon, den der Verdon auf 21 Kilometern Länge 600 Meter tief in den Kalkstein geschliffen hat. Während im Sommer bis zu 2.500 Kanuten und Tretbootfahrer am Tag die spektakuläre Schlucht bevölkern, sind die Schluchten unterhalb des Stausees Lac de Sainte-Croix noch kaum bekannt. „Nur das kalte Tiefenwasser fließt aus dem Stausee ab. Deshalb kann man hier nicht baden“, erklärt Joanel Angionin, der hier mit Touristen zu fünfstündigen Paddeltouren aufbricht.

Ein Besuch auf der Ferme de la ‧Pastourelle in Chateaudouble verspricht dagegen naturnahe Gaumenfreuden. Aus der Milch ihrer Ziegen, Schafe und fünf Kühe fertigt Bäuerin Cathrine Fleury 30 Käsesorten, frischen Joghurt und etwas festere Faiselle. Dazu gibt es im eigenen Hofladen frischen Lavendelhonig. Ein Bauernhof wie aus dem Bilderbuch samt Hühnerstall und Hütehund. Auf die Schlachtbank schickt Cathrine keines ihrer Tiere, die sie alle mit Namen kennt. „So etwas machen wir hier nicht“, sagt sie bestimmt.

Zu viel sollte indes nicht probieren, wer die nächste Nacht bei Oliver Muret in schwindelerregender Höhe verbringen möchte. Bei Flayosk hat der Farmer fünf Baumhäuser in seinen Streichelzoo mit Zwergeseln, Guanakos und Schwänen gehängt. Je nach Größe können hier bis zu sechs Schläfer in bequemen Betten nächtigen, Trockentoilette und einen Frühstückskorb, der am Seil hochgezogen wird, inklusive.

Im Sommerhalbjahr sind die Häuser regelmäßig ausgebucht, ein Zwei-Personen-Haus für 130 Euro die Nacht. In Deutschland sind sie dagegen noch ein Geheimtipp. Wer sich beim nächtlichen Rauschen der Blätter im Wind vergegenwärtigt, dass mit der Cote d’Azur das teuerste Immobilienpflaster der Welt nur 50 Kilometer entfernt liegt, der wird sicher noch besser schlafen.



Martin Wein

Infos im Internet
Tierreservat: www.haut-thorenc.com
Kanutour: www.canoe-verdon.com
Baumhäuser: www.cabanas-du-varon.fr

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