Norwegen

Bummelei über den Polarkreis

Polarkreismarkierung in Oscarbrygga, im Hintergrund der Berg Hertmannen.

Nordnorwegen: Entlang der Küstenstraße N 17 gibt es viel zu sehen und zu erleben

Garnele am Hafen von Bodö. Fotos: cd

Mit 70 Stundenkilometern rast das Boot über die Wellen. Erstes Ziel der Tour ist die „Paradiesbucht“: Glasklares, türkises Wasser, weißer Sand – und kein Mensch am Strand. Dafür aber ein Seeadlerpaar, das einsam die Thermik absegelt. Das Wetter ist herrlich, der Himmel tiefblau. Aber die Ausflügler stecken in dicken „Überlebensanzügen“, tragen selbst im Sommer Mützen und Handschuhe sowie eine Schutzbrille wegen des kalten Fahrtwindes. Das Wasser in der Bucht misst selbst im Hochsommer nie mehr als zwölf Grad. Willkommen jenseits des Polarkreises!

Das eigentliche Ziel der Bootstour ist der Saltstraumen, einer der stärksten Gezeitenströme der Welt. Alle sechs Stunden drängen 400 Millionen Kubikmeter Salzwasser durch die nur 150 Meter breite Meerenge, die den Saltenfjord und den Skjerstadfjord miteinander verbindet. Mächtige Strudel lassen die Wasserfläche brodeln. Unser Schlauchboot mit dem PS-starken Motor tanzt wie ein Korken auf dem Hexenkessel.

Der Saltstraumen liegt in unmittelbarer Nähe von Bodö, der nach Tromsö zweitgrößten Stadt Nordnorwegens. Mehr als vier Wochen scheint hier die Mittsommernachtsonne, im Winter tanzen die Polarlichter. Am Kai halten die Hurtigrutenschiffe neben den Kuttern, von denen man direkt fangfrische „Reker“ kauft, eine Tiefseegarnelenart. Frisch gepult schmecken sie herrlich!

Bodö mit seinem gut ausgebauten Flughafen liegt nicht an der E 6, der schnellen Route zwischen Oslo und dem Nordkap. Hier in Bodö beginnt vielmehr der „Kystriksveien“, jene Küstenstraße N 17, die sich auf rund 650 Kilometern Länge, immer in Tuchfühlung mit dem Nordatlantik, über den Polarkreis hinweg bis nach Steinkjer schlängelt. Die N17 ist so etwas wie der Highway 1 Nordnorwegens. Man kann diese Straße in zwei bis drei Tagen fahren, aber dann müsste man sich eilen.

Viel besser ist es, nach der Devise „der Weg ist das Ziel“ zu reisen. Es gibt einfach zu viel zu sehen und zu erleben. Den Svartisen-Gletscher mit seinen 60 (!) Eiszungen etwa, von denen sich eine bis fast an das Ufer eines Fjordes vorwagt.

Ungezählt sind die Inseln und Inselchen, die vor der Küste liegen. Die meisten davon werden regelmäßig von (Auto)-Fähren angefahren. Stött zum Beispiel: Ganze 30 Einwohner hat das Eiland, aber ein schnuckeliges Hüttenhotel, wo eine ehemalige schwedische Parlamentarierin beim Servieren hilft und nebenbei Pralinen herstellt. Stött ist der Platz, an dem die kluge Frau alt werden wollte.

Nordnorweger gelten als die Italiener unter den Skandinaviern. Wer der winterlichen Kälte und dem Dunkel trotzen will, muss gut drauf sein. Nina Frees, Besitzerin des bildschönen Camping-Platzes in Nesna und der angesagtesten Kneipe weit und breit, ist dauergutgelaunt. Sie begleitet uns auf den Berg Nesnafjell mit weitem Blick über die Küste. Der „Kystriksveien“ bietet Landschaftspanoramen satt.

Am Polarkreis, dieser unsichtbaren Grenze zur Arktis, sollte man in jedem Fall haltmachen. Am besten an einem perfekten Platz wie Oscarbrygga, wo man Salzwiesenlamm in einem alten Fischereikontor speist und dabei auf den mit Wolkenfahnen betupften Inselberg voraus blickt.

Und wenn es regnet? 16 Museen reihen sich entlang der N 17. Eines muss man unbedingt gesehen haben: das Petter-Dass-Museum in Alstahaug – wegen seiner atemberaubenden Architektur und der ebenso günstigen wie guten Fischsuppe im Restaurant. Infos unter www.visitnorthernnorway.com und unter www.rv17.no.
Claudia Diemar
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