Frankreich

Wo Maigret Urlaub machte

Pittoresker als auf den Iles d’Hyeres geht es kaum: Kinder beim Fußballspielen auf der Place d’Armes, Wanderimpression auf Port-Cros ...

Die Iles d’Hyeres: Naturparadies vor Frankreichs Mittelmeerküste

...und Boote vor Porquerolles. Fotos: cd

Der Mistral hat den Himmel blitzblau lackiert. Während die Passagiere der kleinen Fähre an Land gehen, packen die Fischer am Quai des Pecheurs den Fang schon in Kisten. Das Meer war spendabel. Jetzt ist Zeit fürs Frühstück und danach muss ein Nickerchen sein. Die Fahrradverleiher dagegen haben Hochbetrieb. Porquerolles ist autofrei, aber zu groß, um es allein zu Fuß entdecken zu können. Eine Viertelstunde später haben sich die Ausflügler im Rhythmus der Pedale in alle Himmelsrichtungen zerstreut und die Beschaulichkeit ist zurück.

Der Dorfplatz ist aus Sand. Tagsüber kicken dort die Kinder, gegen Abend treffen sich die Großen auf eine Runde Boule. Rund um die Place d’Armes reihen sich kleine Restaurants und Läden sowie Kirche, Postamt und das winzige Rathaus. Porquerolles-Dorf sieht genau so aus, wie man sich südfranzösische Idylle vorstellt.

Es gibt hier keine einzige größere Ferienanlage. Und trotzdem waren zig Prominente da, von A wie Adjani bis Z wie Zidane. Was sie hier suchten? Pinienduft, Wellenrauschen und vielleicht eine frische Dorade auf der Terrasse eines Strandrestaurants. Das ganz normale Ferienglück also. Auf einer Insel von nicht einmal dreizehn Quadratkilometern mit nur 350 festen Bewohnern.

„Braun gebrannt wie die Beduinen kamen die Urlauber von dort zurück“, notierte Krimiautor Georges Simenon über die Insel, auf der sein berühmter Kommissar in „Mein Freund Maigret“ einen Fall zu lösen hat. Simenon selbst kam 1926 erstmals nach Porquerolles, danach immer wieder. „Überflutet von Sonnenschein und Hitze“, schrieb er auch in den Ferien eifrig an seinen Romanen.

Vier Fünftel von Porquerolles gehören zum Nationalpark Port-Cros, der auch die gleichnamige, nur halb so große Schwesterinsel einschließt. Hier sind nicht einmal Fahrräder erlaubt. Aber Port-Cros ist ein Paradies für Wanderer und Taucher. Noch weiter östlich liegt die Ile de Levant. Ein kleiner Teil fungiert als Feriendorf für Nudisten. Der Rest des Eilands dient dem französischen Militär als Übungsgelände. Seit der Renaissance ist der Archipel auch unter dem Namen „Goldinseln“ bekannt. Wegen des Glimmergesteins, das in der Sonne als Katzengold funkelt und die Felsen leuchten lässt.

Offiziell spricht man von den Iles d’Hyeres, benannt nach der einst als Luftkurort berühmten Stadt, wo schon Queen Victoria überwinterte. Lang ziehen sich die hellen Sandstrände an der Nordküste von Porquerolles dahin, beschützt vom schattigen Grün des dichten Pinienwaldes dahinter. Die Südküste dagegen bäumt sich mit hohen Felsen auf. Tief eingeschnittene Buchten mit poolblauem Wasser wie in der Calanque de l’Indienne laden an einigen Stellen zum erfrischenden Bad ein.

Natürlich ist Porquerolles kein Geheimtipp mehr. Rund eine Million Besucher kommen, vor allem als Tagesgäste, alljährlich auf die Insel. Im Sommer ist jedes Hotelbett gefüllt und jeder Tisch in den Restaurants am Hafen besetzt. Dafür sorgen allein schon die Yachten, die dicht an dicht vor Traumstränden wie der Plage de la Courtade oder der Plage de Notre Dame ankern.

Das wahre Inselglück, wie es seinerzeit Simenon erlebte, findet man in der Nebensaison: im Frühling, wenn alles in Blüte steht oder im frühen Herbst mit noch warmem Meer und dem goldenen Licht. Wenn das letzte Boot mit den Tagesausflüglern abgelegt hat, senkt sich die Stille über die Insel. Selbst die Zikaden schweigen und die Dämmerung fällt mit Perlmuttglanz hinter den schwarzen Scherenschnitt der Pinien.

Claudia Diemar
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