Frankreich

Magmaschleudern auf dem Plateau de fromage

Alles Käse: In der Auvergne wird aus dem Spruch Wirklichkeit.

Auvergne: Auch in Frankreichs Provinz finden sich Kultur und Kulinarisches

Issoire mit der Basilika St. Austremoine. Fotos: cp

Alle Jahre wieder lässt die Mär vom Mehr am Meer Millionen Deutsche mit ihren Autos quer durch Frankreich an den Atlantik oder an die Cote d’Azur rasen. Dass solche teutonischen Tourismusströme nicht von Schwarmintelligenz zeugen, beweist das Beispiel der Auvergne. Im Ranking der beliebtesten Tourismusziele Frankreichs liegt die Region rund um Clermont-Ferrand nur im Mittelfeld. Die zentralfranzösische Provinz zum reinen Transitland auf dem Weg an die Küste zu degradieren, ist aber ungerecht. Denn Kultur ist hier ebenso zu finden wie Kulinarisches. Und eine Gegend zum Gucken gibt’s obendrein.

Vor 5.000 Jahren – in Ägypten wurde damals über den Bau der ersten Pyramiden nachgedacht – brodelten hier noch die Vulkane und fluteten die Landschaft mit Lava. Mittlerweile ist im Untergrund Ruhe eingekehrt. Nur noch eine Kette von 80 Vulkankegeln – Europas längste Formation solcher Magmaschleudern – zeugt von der glutheißen Vergangenheit der Region.

Seit knapp zwei Jahren führt eine futuristische Zahnradbahn auf den 1.465 Meter hohen Puy de Dome, den größten und höchsten der Kraterberge, direkt vor den Toren von Clermont-Ferrand. Von hier oben öffnet sich ein grandioser Panoramablick auf die grünen Hügel der Auvergne bis hin zu den schneebedeckten Gipfeln des Massif du Cantal ganz im Süden. Schon die alten Römer müssen diese Aussicht genossen haben: Im zweiten Jahrhundert nach Christus erbauten sie auf dem Gipfel des Puy de Dome einen gewaltigen Tempel zu Ehren von Merkur, dem Gott der Reisenden.

Apropos Römer: Dank Asterix und Obelix ist auch Vercingetorix, der Nationalheld der Auvergne, einem Weltpublikum bekannt geworden, jener wackere Widerstandskämpfer, der dem großen Julius Cäsar im Jahr 52 vor Christus bei Gergovia eine peinliche Niederlage beibrachte. Auf der zentralen Place de Jaude in Clermont-Ferrand erinnert ein wild wogendes Reiterdenkmal an den fürstlichen Freigeist aus der französischen Provinz.

Doch das Land, wo vor allem Lava und Blut fließen, will die Auvergne gar nicht sein. Im Grunde genommen sind die Gallier Genießer und schätzen ein beschauliches Savoir-vivre weit mehr als Vulkaneruptionen und Kriegsgemetzel. So wird die Auvergne wegen der Vielfalt ihrer Käsesorten gerne als „plateau de fromage“ (Käseplatte) bezeichnet. Und in der Tat: Ob Saint-Nectaire oder Salers, ob Bleu d’Auvergne oder Cantal – der geschmackliche Variantenreichtum, den die lokalen Bauern aus Kuhmilch zaubern, ist erstaunlich.

Für geistige Erbauung sorgen die zahllosen mittelalterlichen Städtchen mit ihren romanischen Kirchen aus dem 12. und 13. Jahrhundert. Besonders sehenswert: das malerisch museale 350-Seelen-Dorf Charroux und das rau charmante Bergstädtchen Montpeyroux mit seinem alles überragenden Burgturm. Wer es urbaner liebt, kann seinen Hunger nach kunsthistorischen Delikatessen in Issoire mit der Basilika St. Austremoine, in dem für seine Messermanufakturen be- und gerühmten Thiers oder natürlich direkt in der Hauptstadt Clermont-Ferrand und seiner lavasteinschwarzen Kathedrale stillen.

Christian Preiser

Sightseeing-Tipps
Nicht nur Geologen kommen beim Besuch des viergeschossig in die Vulkanlava des Puy de Come hineingefrästen Infozentrums Vulcania auf ihre Kosten – unbedingt ansehen: die spektakuläre Multimediashow (www.vulcania.com). Freunde von Ballett, Oper und Theater besuchen das Nationale Kostümmuseum in Moulins sur Allier (www.cncs.fr) – mit seinen mehr als 10.000 Kostümen aus dem Fundus der Comedie-Francaise und der Nationaloper in Paris. Ganz neu: die „collection Noureev“ mit Reliquien aus dem Leben des legen‧dären russischen Tanz-Stars. Danach geht’s zum nagelneuen Musikmuseum MUPOP nach Montlucon – ein Muss für alle Fans der Pop- und Rockmusik (www.mupop.fr). Und anschließend zur Thermalwasserkur nach Vichy – na, denn: Prost!

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