Frankreich

Henri Matisse und die Dynamitfabrik

Agaven flankieren den staubigen Küstenweg.

Eine Wanderung an der Cote Vermeille im südlichsten Teil des Landes

Das kleine Städtchen Collioure zog Künstler wie Pablo Picasso an. Fotos: ah

Sie ist eine der schönsten Küsten Frankreichs: Die Cote Vermeille in der Region Roussillon ist wie gemacht für Cabrio-Fahrten bei prallem Sonnenschein. Die Traumküstenstraße schlängelt sich von Norden beim Künstlerort Collioure bis an die spanische Grenze. Abseits der Autoabgase bietet sich jedoch eine schönere und ruhigere Variante: auf Schusters Rappen auf dem Sentier Littoral.

Der Küstenwanderweg beginnt in Banyuls-sur-Mer – ein typisch südfranzösischer Badeort, der für seinen süßen Dessertwein berühmt ist. Wir steuern die Uferpromenade an, passieren den Sandstrand Plage des Elmes auf dem Urlauber Sonnenschirme aufspannen und Kinder in der milden Brandung planschen. Alsbald verlassen wir Banyuls Richtung Norden und gelangen auf den Sentier Littoral, der uns am Mittelmeer entlang führt. Die Cote Vermeille weist uns fortan den Weg. So wandern wir auf der rostig roten Steilküste, erreichen die schmalen Klippen und blicken in die azurblaue Unendlichkeit des Mittelmeers. Die Tour führt uns immer wieder hinab in winzige Buchten, wo sich einerseits schroffe Felstrümmer stapeln und andererseits vom Meerwasser blank gewaschene Felsen zum Picknick einladen.

Nach vier Kilometern erreichen wir die schmale Bucht von Paulilles. Hinter dem feinen Sandstrand liegen die Überreste einer von Alfred Nobel entworfenen Dynamitfabrik aus dem 19. Jahrhundert. Markant thront der 35 Meter hohe Schornstein aus rotem Ziegelstein. Bis 1984 war die Fabrik in Betrieb. 800 Arbeiter arbeiteten und lebten mit ihren Familien auf dem explosiven Gelände. Heute ist dort Freilichtmuseum eingerichtet. Der ungewöhnliche Ort zwischen verschiedenen Weingütern ist eine von Kiefern dominierte grüne Oase der Ruhe.

Wieder auf dem Sentier Littoral geht es bergauf. Die Steilküste wird ihrem Namen gerecht. Wir erreichen das Cap Bear, den windigsten Ort Frankreichs. Rund um den Leuchtturm peitscht der Wind so stark, dass wir unser eigenes Wort nicht verstehen und jeder Schritt zur Qual wird. Tapfer kämpfen wir uns an der Küste bis nach Port Vendres.

Im Städtchen passieren wir den Jachthafen, marschieren über Treppenstufen auf die Sattelhöhe und marschieren in luftiger Höhe bis zur Festung Sant-Elme, wo uns ein traumhafter Blick auf Collioure für den Aufstieg belohnt. Wir sind fast am Ziel. Flankiert von Ölbäumen wandern wir in den Ort. Im Hintergrund schimmert das prächtige Panaroma der auslaufenden Pyrenäen, die sich fast bis an Mittelmeer schieben.

Nach 13 Kilometern empfängt uns Collioure mit einem rosafarbenen Kirchturm, dem malerischen Stadtstrand Boromar, pastellfarbenen Straßencafés und bunten Fischerbooten, die im Hafen dümpeln. Die fast kitschige Schönheit des charmanten Örtchens hat in der Vergangenheit Künstler wie Henri Matisse, Pablo Picasso oder George Braque gefesselt. Zu Dutzenden strömten sie nach Collioure, ließen sich vom magischen Licht inspirieren und verewigten den Fischerort in ihren Kunstwerken.

Noch heute haben unzählige Maler ihre Staffeleien am Hafen platziert und verhökern ihre Landschaftsmalerei an zahlungswillige Touristen. Von Collioure geht es entweder mit dem Zug oder über die Küstenstraße per Linienbus zurück nach Banyuls.
Arne Hübner
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