Irland: Auf der Halbinsel Dingle wird noch Gälisch gesprochen
Eigentlich gibt es ihn gar nicht, den wilden Weg am Atlantik, doch pfiffige Marketing-Spezialisten bei der Irischen Tourismuszentrale tauften die Straßenverbindungen an der Westküste äußerst werbewirksam „Wild Atlantic Way“. Der Weg reicht von Londonderry im Norden bis ins südliche Kinsale nahe der Stadt Cork und ist rund 2.500 Kilometer lang.Die Halbinsel Dingle – sie beginnt bei der Stadt Tralee in der Grafschaft Kerry – ist ein echtes Highlight auf der Route, geht es doch mitten durch eine archaisch anmutende, ewig grüne Berg- und Küstenlandschaft mit kilometerlangen, häufig menschenleeren Stränden und faszinierenden Ausblicken auf den weiten Ozean. Weltbekannt wurde diese Naturkulisse durch David Leans Film „Ryan’s Daughter“. Kaum einer jedoch weiß, dass der Polarforscher Ernest Henry Shackleton für seine Expeditionen zum Südpol auf dem Terrain der Halbinsel trainierte.
„Bei uns wurden die meisten archäologischen Funde in ganz Europa gemacht und werden es noch“, sagt nicht ohne Stolz Tabitha O’Donnell, Tour Guide und Tochter eines Pub-Besitzers in der kleinen Ortschaft Cloghane am Fuß des Mount Brandon. Mit 952 Metern ist er einer der höchsten Berge Irlands. Fest steht, dass Dingle eine ganze Reihe prähistorischer Zeugnisse aufzuweisen hat, darunter so genannte Clochans, bienenkorbförmige Steinhütten, die wahrscheinlich einheimischen Hirten als Unterschlupf dienten. Sehenswert ist auch das vollständig erhaltene Gallarus Oratory, eine kleine Kapelle aus Steinen, die ganz ohne Mörtel aufeinandergeschichtet sind.
Neben dem Pub von Tabithas Vater kommen junge und alte Dorfbewohner regelmäßig im Gemeindehaus von Cloghane zusammen, um Lieder in gälischer, also irischer Sprache zu singen und dazu zu tanzen, begleitet von Instrumenten wie Feadóg (Flöte) oder Bohdran (Trommel).
Die 1.800 Einwohner von Dingle Town meinen augenzwinkernd, ihre Nachbargemeinde sei New York. Tatsächlich liegt das kleine Hafenstädtchen auf gleicher Höhe wie Neufundland und kann für sich in Anspruch nehmen, der westlichste Ort Europas zu sein.
Dass Dingle Town vor allem ein Touristenmagnet ist, liegt an Fungie. Der Delfin, der anscheinend eine Vorliebe für Menschen hat, lebt seit 1983 in der Hafenbucht und zeigt sich fast jeden Tag, wenn sich eine Bootsarmada mit Hunderten Besuchern aus aller Welt, bewaffnet mit Fotoapparaten und Videokameras, auf die Suche nach ihm macht. Ist die Tour zu Ende, werden die Pubs gestürmt, wer keinen Platz findet, trinkt draußen sein Guinness. Und immer wieder ist „Sláinte“ zu hören, das Wort, mit dem man sich auf Gälisch zuprostet. Übrigens: Den Wild Atlantic Way nennen die Einheimischen „Slí an Atlantaigh Fhiháin“.