Ein Ortstermin lässt eine Leinwandlegende aufleben
Sie haben die Wände frisch gestrichen – erst lange, nachdem er ausgezogen ist. Sie kamen mit frischer Farbe, obwohl seit vielen Jahren niemand mehr in den Amtsräumen im Erdgeschoss des viergeschossigen alten Hauses arbeitet, keiner in den Dienstwohnungen darüber zuhause ist. Der kleine Mann mit dem grauen Haarkranz, mit den Grimassen, dem Gefuchtel und den wohl kalkulierten Wutanfällen wurde hier vor fast genau 50 Jahren zu einem der erfolgreichsten Stars des französischen Kinos. Er musste dafür nur eine Polizeiuniform überstreifen. Sein Name: Louis de Funes. Am 31. Juli letzten Jahres wäre er hundert Jahre alt geworden.
Das Foto ist ein Muss
Auch den Schriftzug in schwarzen Lettern auf weißem Grund über die volle Länge der Fassade am Place Blanqui hat irgendwer nachgezogen: „Gendarmerie Nationale“ prangt heute wieder dort, wo Cruchot, Gerber, Tricard, Fougasse, Berlicot in St. Tropez gewirkt haben – obwohl die Wache lange umgezogen und nun nur ein paar Querstraßen weiter zu finden ist.
Und so hat die Frau diesen Morgen viel zu tun, die eigentlich nur ihr Fahrrad auf dem Platz festschließen wollte – wie auch der alte Mann mit der Baskenmütze, der herkam, um wie jeden Morgen ein paar Sonnenstrahlen auf der Parkbank zu genießen. Beide knipsen immer wieder wildfremde Familien vor dem schmalen Gebäude mit der cremefarbenen, leicht gelblichen Fassade, den geschlossenen Fensterläden und dem satten, schwarzen „Gendarmerie“-Schriftzug. Das Motiv ist ein Muss in St. Tropez, mehr noch als ein Bild von den Mega-Yachten dreihundert Meter Luftlinie von hier im Vieux Port. Eher als die berühmte Häuserzeile unten am Kai mit ihren vielen Cafés.
Denn hier hat Frankreichs berühmtester Polizist herumgebrüllt, gezappelt, Grimassen geschnitten, wann immer Regisseur Jean Girault das Startzeichen dafür gegeben hat: Louis de Funes als Gendarm von St. Tropez war vor allem in den 1960er und 1970er Jahren ein Kino-Hit und ist heute ein Klassiker.
Alte Plakate in neuer Gendarmerie
Das aus den Filmen bekannte Gebäude der „Gendarmerie Nationale“ hat die frische Farbe bekommen, weil der Place Blanqui am Rande der Altstadt aufgehübscht wurde. Nun sitzen sie hier wieder und plaudern, die alten Männer auf den Parkbänken unter den kräftig gestutzten Platanen.
St. Tropez’ heutiger Polizeichef Eric Rolando hat derweil ein paar alte Filmplakate in der neuen Gendarmerie aufgehängt und stört sich nicht am Bild vom südfranzösischen Dorfpolizisten: „Ich finde die Filme amüsant“, sagt er. Und schließt ganz seriös an: „Aber Aufgabe der Polizei ist es auch hier, für Ordnung zu sorgen und nicht die Touristen zu amüsieren.“ „Hat Louis de Funes denn St.Tropez berühmt gemacht?“, will wenig später ein Urlauber von der Frau hinter dem Tresen der Tourist-Info unten am alten Hafen mit all den Luxus-Yachten wissen. „Nein“, sagt sie, „das war die Sonne.“