Deutschland

Hann. Münden: Blutwurst und Schwarze Medizin

Mit rot-schwarzem Gehrock und weißer Perücke: Ernst Polej als Doktor Eisenbart.

Mit rot-schwarzem Gehrock und weißer Perücke: Ernst Polej als Doktor Eisenbart.

Die Drei-Flüsse-Stadt ist durch Dr. Eisenbart bekannt geworden

Blick von der Tillyschanze auf Hann. Münden: Schon Alexander von Humboldt war von der Lage der Stadt fasziniert.

Blick von der Tillyschanze auf Hann. Münden: Schon Alexander von Humboldt war von der Lage der Stadt fasziniert. Fotos: heu

Bei seinem Besuch in Hannoversch Münden im November 1727 rafften den Wanderarzt Johann Andreas Eisenbart die Folgen eines Schlaganfalls dahin. Man beerdigte ihn in einer Gruft in der St.-Aegidien-Kirche. Mittlerweile befindet sich sein Grabstein seitlich des Kirchengebäudes. Direkt vor dem Eisenbart-Grabstein treffen wir Ernst Polej. Er trägt eine Perücke mit weißen Locken und einen rot-schwarzen Gehrock. Seit etlichen Jahren führt er Gäste als Dr. Eisenbart durch Hann. Münden.

Wer mit ihm durch die schmucke Fachwerkstadt spaziert, der merkt schnell, dass Eisenbart nahezu allgegenwärtig ist: eine Eisenbart-Statue steht auf einer Flussinsel in der Werra, ein Eisenbart-Gemälde findet sich im Rathaussaal, eine Erinnerungsplakette und eine Statue zieren die Front von Eisenbarts Sterbehaus in der Langen Straße 79. An einem anderen Haus in derselben Straße, es trägt die Hausnummer 6, fungiert ein Miniatur-Eisenbart sogar als Türgriff. Wer diesen betätigt, der tritt ein in das Fachwerkhotel Doktor Eisenbart.

Täglich um 12, 15 und 17 Uhr ertönt vom Giebel des barocken Rathauses ein Glockenspiel. Ein Figurenensemble schiebt sich aus zwei Fensteröffnungen an der Rathausvorderseite: Von links nähert sich ein Patient, von rechts, mit großer Zange in der Hand, kommt Dr. Eisenbart höchstpersönlich. Dass Doktor Eisenbart Blinde zum Gehen bringt und Lahme wieder sehen lässt, wie es im Eisenbart-Lied heißt, das freilich wird dem Arzt gar nicht gerecht, findet Polej. „Das Spottlied haben Göttinger Studenten geschrieben, nachdem Eisenbart bereits einige Jahrzehnte tot war.“

Nach dem obligatorischen Widwidewitt-bum-bum-Glockenspiel am Rathaus führt er uns durch die Lange Gasse. Wir verlassen die Altstadt und blicken von der Alten Werrabrücke auf das Welfenschloss, das Hann. Münden überragt. Der Spaziergang endet später an der Feinkostfleischerei Schumann & Sohn, die ausnahmsweise nicht mit Dr.-Eisenbart-Variationen um Aufmerksamkeit heischt. Dafür hat sie höchst ungewöhnliche Kreationen im Angebot: Pralinen aus Blutwurst, kombiniert mit Zartbitterschokolade sowie Blau- bzw. Himbeeren.

Wem eher nach flüssiger Nahrung ist, der kehrt im Ratsbrauhaus ein, einem Gasthaus mit angeschlossener Mikrobrauerei. Dort wird ein Schwarzbier mit erhöhtem Alkoholgehalt gebraut, das als Dr. Eisenbarts Schwarze Medizin auf der Karte steht. Dem Wanderarzt Johann Andreas Eisenbart, der nur wenige Wochen seines Lebens in Hann. Münden verbracht hat, aber genau dort begraben liegt, entkommt man heutzutage eben nicht mal mehr am Biertisch.
Rainer Heubeck