Deutschland

Bremen: Nah am Wasser gebaut

In der neuen Überseestadt ist auch die Silbermanufaktur Koch & Bergfeld Corpus angesiedelt.

Im alten Hafenquartier entsteht nach und nach die bunt gemischte neue Überseestadt

Silberschmiedin Beate Leonards kümmert sich unter anderem auch um den Pokal des Deutschen Fußballbundes.

Das Wahrzeichen der Hansestadt. Fotos: hb

Wie es duftet. Intensiv, nach feinstem Arabica-Kaffee, weil der Röstmeister sein Handwerk versteht und gerade die Tür seines Cafés öffnet, um die Nachbarn mit einigen Tausend Aromen seiner neuesten Charge zu beglücken. Und wie es stinkt. Penetrant, nach Fischmehl, weil am Fabrikenufer gerade ein Frachter seine Ladung löscht und das hier immer noch ein Hafen ist, der manchmal eben auch etwas strenger riecht.

Industrie, Büros, Wohnungen

Im alten Stadthafengebiet, wo einst das Herz des Handels pochte, entwickelt sich Bremens neuestes Viertel. Tonnen von Südfrüchten wurden im Schuppen 1 umgeschlagen, nun schrauben hier Spezialisten an Oldtimern. Die Hochschule für Künste nutzt einen 400 Meter langen Speicher, auch Start-ups und das Hafenmuseum haben sich eingemietet. Es gibt Galerien und Einrichtungsstudios und eine Marina für Freizeit-skipper, dazu Cafés und Restaurants. Nebenan entstehen Büros und Wohnungen. Platz gibt es: Insgesamt umfasst das Areal 300 Hektar, so viel wie 420 Fußballfelder.

Das Bild rahmen alte Getreidemühlen, Holzlager und eine Fabrik für Cornflakes. „Wir haben immer noch Umschlag im Hafen. Dabei soll es bleiben: Die Mischung aus Industrie, Büros und Wohnungen macht das besondere Flair aus“, sagt Peter Siemering. Einst hat er hier an der Kaikante noch Spediteur gelernt und wirbt nun mit dem Überseestadt-Marketingverein für das neue Quartier. In Hamburg hat sich die nur halb so große Hafencity mittlerweile zum Magnet für Besucher entwickelt, nun will Bremen nachziehen, erzählt er.

Im historischen Zentrum, rund um den Marktplatz mit dem über 600 Jahre alten Rathaus, hält der Roland den Dom in Schach. Die Figur ist seit dem Jahr 1404 das Symbol für die Macht der Händler und die Freiheit der Hansestadt. Diese musste sich indes neu ausrichten und das Hafen-areal an der Weser neu beleben. „1966 legte hier ein Frachter an und setzte den ersten Container ab“, erzählt Andreas Heyer, Chef der Bremer Wirtschaftsförderung. Damit begann nun der Abstieg, weil es die immer größeren Schiffe nicht mehr die Weser hinauf schafften und ihre Fracht in Bremerhaven löschten. Der Überseehafen wurde 1998 zugeschüttet, um zwischen den Becken des Europa- und Holzhafens Platz für Neues zu schaffen.

Das ist gelungen: Im Schuppen 2 produziert Birgitta Rust nun Obstbrände, Liköre und Nussgeiste. Im selben Gebäude kann man in der gläsernen Silberschmiede das Team der bald 190 Jahre alten Manufaktur Koch & Bergfeld Corpus bei der Arbeit beobachten. „Die Walzstühle, Zieh- und Werkbänke stammen noch aus der Gründerzeit, als die Firma Silberbesteck an die Zarenfamilie in Russland geliefert hat“, erklärt Chef Florian Blume. Heute ist die Manufaktur auf Kandelaber, Services, Tabletts und Zierbecher spezialisiert. An den Meisterstücken – originale Schiffsmodelle für Reeder und Yacht-besitzer – wird besonders lange gefeilt. Die Bremer Manufaktur kümmert sich auch um berühmte Trophäen aus der Fußballwelt: DFB-Meisterschale, DFB-Pokal und der Champions-League-Pokal gehen durch die Hände der Bremer Spezialisten.

Kaffee in historischem Gemäuer

Am Fabrikenufer, wo bis heute Getreidefrachter vor dem Art-déco-Hochhaus der Rolandmühle ihre Ladung löschen, erinnern Produktionsanlagen aus Eisenbeton und Backstein sowie ein Marmorsaal an den Kaffeepionier Ludwig Roselius: Seine Kaffee-Handels-AG wurde zum Synonym für koffeinfreien Kaffee. Nach etlichen Fusionen ist das Unternehmen inzwischen ausgezogen, doch mit Lloyd Caffee geht die Geschichte weiter: Die älteste noch immer traditionell arbeitende Kaffeerösterei Bremens hat in dem historischen Gemäuer ein Café eröffnet.

Helge Bendl
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