Wasserfälle, Wikinger, Wollfärber – und fermentierter Grönlandhai. Der Westteil der Insel hat im Winter einen besonderen Zauber
Ob es nun die Elfen waren, die Trolle oder die Zwerge? Man würde sich ja gerne bedanken, doch Ausländer bekommen – anders als manche Einheimische, die das jedenfalls behaupten – das „Verborgene Volk“ Islands leider nie zu Gesicht. Egal, wer auch immer gerade fürs Wetter verantwortlich ist: Heute Nacht hat jemand die Temperatur auf frostige Minusgrade heruntergedreht und die Landschaft mit einem riesengroßen Puderzuckerstreuer eingestäubt. Die zähen Islandpferde auf der Weide kümmert das nicht. Am Wasserfall hängen Eiszapfen, der Fluss ist fast komplett zugefroren. Und nebenan trägt der schönste Berg Islands, der Kirkjufell am Fjord Grundarfjördur, jetzt eine weiße Mütze.
Einstieg in die Unterwelt
Im Sommerhalbjahr mögen die Tage länger sein, doch im Winter hat Island einen besonderen Zauber – und ist viel weniger überlaufen. Das gilt vor allem für den wilden Westen der Insel, der auch als „Island in Miniatur“ bezeichnet wird, weil hier viele Attraktionen nahe beieinander liegen. Hier gibt es auf Snaefellsnes, der Schneeberghalbinsel, große Lavafelder und den Vulkan Snaefellsjökull: In Jules Vernes Buch „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ wagen der deutsche Professor und seine Helfer hier im Krater den Einstieg in die Unterwelt. Wer es den Romanhelden gleichtun will, kann den Berg bei einer fordernden Gletschertour erkunden. Bequemer ist das Angebot „Into the Glacier“ am Langjökull-Gletscher: Hier geht es im Truck den Berg hinauf. Dann führt eine künstliche Tunnelröhre mitten ins Eis, das durch den hohen Druck märchenhaft-bläulich schimmert.
Wird es einem irgendwann zu kalt, warten heiße Quellen: Deildartunguhver ist die größte Europas. Pipelines versorgen die Ortschaften im Umkreis mit warmem Wasser. Wenn es mehr sein soll als eine heiße Dusche: Besonders schön ist das Geothermalbad Krauma in Reykholt. Hier gibt es sechs Becken, zwei Dampfbäder und einen schicken Ruheraum mit offenem Kaminofen.
West-Island ist aber auch ein Ort mit spannender Vergangenheit. Über die Zeit der so genannten Landnahme, als norwegische Wikinger im neunten und zehnten Jahrhundert Island besiedelten, erzählt in Borgarnes das Settlement Centre nun in einer multimedialen Ausstellung. Das Folk Museum des Nachbarorts Akranes fokussiert vor allem auf die Fischerei, doch nebenan fliegen regelmäßig die Funken: Enthusiasten haben hier eine Schmiede eingerichtet.
Konzerte im Leuchtturm
Die Menschen sind hier von einem besonderen Schlag. Bestes Beispiel ist Hilmar Sigvaldsson, der den Leuchttturm von Akranes vor dem Verfall gerettet und zu einem Kulturzentrum ausgebaut hat, in dem Ausstellungen gezeigt werden und Konzerte stattfinden. Nicht weit entfernt vom Leuchtturm wirkt Gudrun Bjarnadottir vom Studio Hespa, eine Expertin für mit natürlichen Pigmenten gefärbte Wolle. Wer nicht selbst stricken will (oder kann), kann dort Socken und auch Island-Pullover direkt an der Quelle kaufen.
Weiter geht es zum Besuch auf dem Bjarnahöfn bei Helgafellssveit. Hier reift „Hakarl“, fermentierter Grönlandhai. Schmeckt denn die aus Artenschutzgründen äußerst fragwürdige Spezialität wenigstens? „Wenn die Leute sagen, es stinke fürchterlich, wird er erst richtig gut“, lacht Besitzer Kristjan Hildebrandsson und reicht eine Schale zum Probieren.