Ein Besuch der unterirdischen Städte ist eines der großen Highlights von Rundreisen durch die Region
Die Worte von Süleyman sprechen eine klare Sprache. Zunächst zumindest: „Wer Platzangst hat, sollte besser nicht mitkommen. An einigen Stellen wird es eng.“ Kurz darauf relativiert er seine Worte: „So ganz eng wird es natürlich auch wieder nicht. Schaut mich an.“
Süleyman ist ein Mann in den 60ern und korpulent. Seit 40 Jahren arbeitet er als Reiseleiter und Manager im Incoming Bereich, durch Kappadokien ist er wohl schon über 200 Mal gereist. Und auch unterirdisch war er in dieser Region oft unterwegs: Allein Kaymakli hat er über 40 mal besucht.
Kaymakli ist eine von 36 unterirdischen Städten in Kappadokien. Nur einige wenige von ihnen sind für Touristen freigegeben, denn der Erhalt ist aufwendig und die Anlagen sind riesig. Kaymakli etwa besteht aus acht Stockwerken, fünf von ihnen sind beleuchtet und für Besucher zugänglich.
Der Rundgang führt über unzählige Treppen und durch schmale Gänge in kleine und größere Räume, vorbei an Lagerplätzen und Ställen, Gebetsnischen und einer kleinen Kirche inklusive Altar. Zuletzt genutzt wurden sie von den Einheimischen im 19. Jahrhundert als Zuflucht vor ägyptischen Truppen. Später hatte nur noch die oberste Etage einen Nutzen: Aufgrund ihrer konstanten Temperatur von rund zehn Grad bot sie ideale Lagerräume.
Die Ursprünge der unterirdischen Städte Kappadokiens sind jedoch weit älter und reichen bis ins dritte Jahrtausend vor Christus zurück. Die Hethiter sollen damals die ersten Wohnungen unter der Erde gegraben haben. In römischer Zeit wurden Kaymakli, Derinkuyu und cCo von urchristlichen Gemeinden ausgebaut, um sich vor der Verfolgung durch die Römer in Sicherheit zu bringen.
Die Flucht der Menschen unter die Erde war in Kappadokien relativ einfach zu bewerkstelligen: Das weiche Tuffgestein der Region, das rund um Uchisar für die berühmten Felsenformationen und überirdischen Felsenwohnungen sorgte, ist leicht zu bearbeiten.
Dreh- und Angelpunkt des unterirdischen Ausbaus waren Luftschächte. Sie sorgten nicht nur für Sauerstoff, sondern konnten auch genutzt werden, um abgegrabenen Tuffstein an die Oberfläche zu befördern. Nur ein geringer Teil von ihm blieb unter der Erde: Mit dem Sand wurden nach dem Toilettengang die eigenen Exkremente abgedeckt.
Das System dieser Städte war derart clever durchdacht, dass in Kaymakli rund 2.000 Menschen über mehrere Monate hinweg leben konnten. Bei Angriffen war man in der Lage, die Zugänge zu blockieren, die bis zu 70 Meter hohen Luftschächte waren an der Oberfläche gut versteckt. Nach unten führten sie bis zu wasserführenden Schichten.
So tief kommen wir doch nicht. An einer einzigen Stelle müssen wir uns kräftig ducken und schmal machen, ansonsten spazieren wir recht gemütlich durch die fünf Etagen. Dennoch sind einige Teilnehmer froh, als wir wieder Tageslicht erreichen. Hier mit 2.000 Menschen wochenlang eingepfercht zu sein, dieser Gedanke gefällt nicht jedem.