Deutschland

Manhattan des Mittelalters

Mitten im Wald im Süden der Eifel liegt die Burg Eltz

Bei einer Führung durch die mittelalterliche Burg Eltz lernt man viel über deutsche Redensarten

Im noch heute beeindruckenden Rittersaal trugen sich früher die eigenartigsten Dinge zu. Fotos: mw

Schon im Mittelalter galt, was Immobilienmakler noch immer predigen: „Lage, Lage, Lage“. Trotzdem würden heutige Verkäufer die Hände über dem Kopf zusammenschlagen bei diesem Anwesen auf einem unebenen Felskopf im tief eingeschnittenen Tal des Elzbaches bei Moselkern. Und dann der Bau selbst mit seinen verschiedenen Häusern zusammengedrängt auf engstem Raum und bis heute ohne Zentralheizung oder schnelle Datenleitung.

Doch etwas muss dran sein an dieser Immobilie. Schließlich ist sie nicht nur seit 800 Jahren kontinuierlich bewohnt. Sie zierte früher auch den 500-DM-Schein und lockt Jahr für Jahr rund eine Viertelmillion Besucher in den Wald der Südeifel. Mit ihren bis zu zehn Stockwerke hohen Wohntürmen muss die Burg Eltz Gästen im Mittelalter wie ein Manhattan vorgekommen sein.

„Und es gab einen erstaunlich hohen Wohnkomfort“, sagt Burgführer Haiko Hofmann. Von den 80 Räumen habe immerhin jeder zweite über einen Kamin verfügt, erklärt er. Eine Zisterne fing das Regenwasser von den spitzen Dächern auf. Und bleigefasste Butzenscheiben sorgten für Licht.

Natürlich darf in diesem Zusammenhang ein gewisses Örtchen nicht fehlen, das sich hinter einer beichtstuhlartigen geschnitzten Holzverkleidung verbirgt. Mehr als ein Dutzend solcher Erker über dem Bach gab es auf der Burg, damit die drei Zweigfamilien derer von Kempenich, Rübenach und Rodendorf sich nicht beim Geschäftlichen in die Quere kamen.

So traf man sich mehr oder minder friedlich im Rittersaal. Hier konnte unter dem Schutz einer Narrenmaske an der Balkendecke – der sprichwörtlichen Narrenfreiheit – jeder im Familienrat seine Meinung äußern.
Noch manches andere geflügelte Wort lasse sich – mit aller Vorsicht – aus dem Alltagsleben des Mittelalters und der frühen Neuzeit ableiten, erklärt Hofmann. Da ist etwa das Bett im Schlafgemach der Rübenacher auf einem dreistufigen Podest, aus dem die Herrschaften morgens herabstiegen. Oben auf dem Rahmen des Baldachins hatten die Leute sich vermutlich private Ersparnisse „auf die hohe Kante“ gelegt. Im Waffenkabinett zeigt Hofmann Speere – Piken –, mit deren Gebrauch jede militärische Karriere begann.

„Trotz aller Annehmlichkeiten sehen wir das Mittelalter noch heute zu verklärt“, glaubt Stefan Ritzenhofen, der zusammen mit Angelika Nelius als Kastellan ganzjährig auf der Burg wohnt.

Der amtierende Eigentümer Karl Graf von Eltz-Kempenich wohnt mit seiner Familie lieber in Frankfurt/Main. Das Familiensilber, die Madonna von Lukas Cranach und den kuriosen Dukatenscheißer aus dem Rokoko ließen sie lieber in der wohl sortierten Schatz- und Rüstkammer.

Ritzenhofen, der in den 70er Jahren auf der Burg aufwuchs, weiß um die vielen Einschränkungen, die ein Leben in einem solchen Gemäuer früher den Bewohnern brachte. Heute halten ihn eher der Brandschutz und die Besuchersteuerung in Atem.

Martin Wein