Georgien ist ein kleines, trendiges Land mit großer Vielfalt
Planschten die Reisenden nicht eben noch im Schwarzen Meer, vergruben die nackten Füße im dunklen Sand von Shekvetili und schlenderten unter Palmen auf dem Batumi Boulevard? War da nicht diese leichte Sommerbrise, ein funkelnder Cocktail an der Strandbar und gefühlt ein bisschen Sizilien? Jetzt – urplötzlich, wie es scheint – sind sie mitten im Hochgebirge gelandet. Der Atem stockt beim Blick auf eine strahlend weiße Gebirgskette mit Gipfeln, die höher aufragen als die Rocky Mountains.
Spektakuläre Landschaften
Nach dem dritten Glas Wein sieht die Welt schon anders aus, mag sich der Kaukasus-Urlauber denken. An edlem Rebensaft wie an spektakulären Landschaften mangelt es Georgien wahrlich nicht. Hier funktioniert der Weltwechsel aber manchmal auch ohne Alkohol. Wer die Serpentinenstraßen zu den höchsten Bergpässen überstanden hat, dem flimmert vor der nächsten Weinprobe schon bei der Ankunft der Kopf.
Das Land zwischen Großem Kaukasus und Armenischem Hochland ist kleiner als Irland und versammelt doch auf seiner überschaubaren Fläche einen Querschnitt der landschaftlichen und klimatischen Vielfalt an der Grenze zwischen Europa und Asien. Die Schwarzmeerküste und die Kolchis-Tiefebene im Westen haben ein mediterran-subtropisches Klima. Im Norden und Süden ragen die Berge weit über 3.000 Meter, und mit dem Schchara, dem höchsten Gipfel des Landes im Großen Kaukasus gar 5.200 Meter auf. Am Fuß dieser wilden Gebirge wurde schon vor über 8.000 Jahren Reben gekeltert. Georgien gilt als Wiege des Weinbaus.
Kein Wunder, dass das sonnenverwöhnte Land zu Sowjetzeiten als das Italien der Russen galt. Der Kaukasus als notorischer Krisenherd blieb bei Touristen aus dem Westen jedoch lange ein weißer Fleck auf der Landkarte. Erst in den letzten Jahren entdeckten sie Georgien langsam für sich.
Tiflis – altehrwürdig, aber hip
Wanderer schwärmen von den atemraubenden Bergpanoramen von Swanetien und Kazbegi. Naturliebhaber begeistern sich für die Artenvielfalt im Borjomi-Khargauli- und Tusheti-Nationalpark, durch die auch Bären und Luchse streifen. Der Vashlovani-Nationalpark an der Grenze zu Aserbaidschan erinnert mit seinen weiten Grasebenen und der zerklüfteten Bergkulisse an Afrikas Savannen.
Für Kulturreisende ist Georgiens Hauptstadt Tiflis eine Entdeckung. Die Millionenmetropole ist gleichzeitig altehrwürdig und hip. Zwischen jahrhundertealten Kirchtürmen, trotzigen Festungsmauern und orientalischen Bädern feiert die Jugend Georgiens das Hier und Jetzt.
Und das zum Teil im Untergrund. Im Bassiani verwandelt sich des Nachts ein trockengelegtes Schwimmbecken unter dem Nationalstadion in einen der angesagtesten Elektromusik-Clubs der Welt. Bis weit in die Morgenstunden feiern hier die Tanzwütigen – auch ein bisschen gegen die Engstirnigkeit, Intoleranz und eine korrupte Politik. Und für ein Georgien, das für sie selbstverständlich ein Teil des Westens ist – gerade hier an der Schnittstelle, wo sich Morgen- und Abendland berühren.