Montenegro

Liebeserklärung in Asphalt

Noch heute erkennt man die Pracht vergangener Zeiten.

Ein Ausflug in das Städtchen Cetinje ist äußerst lohnenswert

Der Königspalast ist Ziel zahlreicher Besuchergruppen. Fotos: sw

Zwei kurvenreiche Straßen führen von der Küste Montenegros hinauf zur alten Königsstadt Cetinje auf 700 Metern Höhe, die eine von Budva, die andere von Kotor. Auf der Panoramastraße zwischen Kotor und der früheren Hauptstadt Montenegros reiht sich eine Serpentine an die andere, 25 sind es insgesamt. Eine hat unübersehbar die Form eines "M", eine Liebeserklärung des österreichischen Straßenbauers an Königin Milena. Sie war die Gattin des Fürsten Nikola, der sich 1910 aus Anlass seines 50-jährigen Regierungsjubiläums zum König krönen ließ.

Schon vorher hatten 14 Staaten in Cetinje Botschaften etabliert, deren Villen noch heute das Bild der kleinen Stadt prägen. Die historischen, zum Teil ein wenig heruntergekommenen Hausfassaden in allen nur erdenklichen Stilen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zeugen von einer ereignisreichen Geschichte. Nikola, auch Nikita genannt, erfreute sich an europäischen Höfen großer Wertschätzung - nicht so sehr als bedeutender Herrscher, sondern eher als "Schwiegervater Europas": Sechs seiner Töchter hatte er geschickt verheiratet, davon eine mit König Victor Emanuel von Italien.

Der frischgebackene König ließ seine 1867 erbaute Residenz ausbauen, jedoch blieb sie in Aussehen und Ausmaß bescheiden, wie alles in Cetinje. Sie gleicht eher einem Landhaus als einem "Palast", wie die Bevölkerung das Gebäude nennt. Das Städtchen ist Ziel eines jeden Ausflugs - und auch eines der drei Zielgebiets-Workshops der diesjährigen DRV-Jahrestagung -, denn hier ist seit 1926 das Staatsmuseum untergebracht. Es bietet einerseits einen - allerdings bruchstückhaften - Überblick über die Geschichte des kleinen Landes. Aber viel interessanter sind die Wohnräume der fürstlichen beziehungsweise königlichen Familie mit originalen Möbeln, Haushaltsgeräten und Kleidern.

Im Gegensatz zu den vielen Fahnen, die von den Türken erbeutet wurden, sind die meisten Waffen keine Kriegsbeute, sondern wie viele Bilder und das meiste Mobiliar Geschenke europäischer Herrscher. Das erweckt den Eindruck, dass der König seinen Hof nur durch die wohlwollenden Zuwendungen seiner ausländischen Kollegen aufrechterhalten konnte.

Horst Schwartz