Italien

Sardiniens letztes Geheimnis

Blick auf das Örtchen Carloforte

Blick auf das Örtchen Carloforte. Foto: Isaac74 / iStockphoto

Italien: Die Insel San Pietro ist ein beliebtes Ziel für Tagesausflügler – und Promis

Bilderbuch-Strand: Spiaggia la Bobba

Bilderbuch-Strand: Spiaggia la Bobba. Foto: hs

Musste Tom Cruise einen Korb geben, weil kein Tisch frei war: Antonello Pomata vom Restaurant Da Nicolo

Musste Tom Cruise einen Korb geben, weil kein Tisch frei war: Antonello Pomata vom Restaurant Da Nicolo. Foto: hs

Am Ende musste er an Deck der Yacht essen, mit der er gekommen war. Dabei hätte Antonello Pomata ihm gerne geholfen und konnte trotzdem nur mit den Schultern zucken: „Kein Tisch frei diesen Abend, nicht mal ein Stuhl.“ Auch nicht für Tom Cruise mit Gefolge. Alles reserviert. Wie immer im August, wie üblich um diese Jahreszeit im besten Restaurant von Carloforte auf der Insel San Pietro gut sieben Kilometer vor der Südspitze Sardiniens. 

Ins Da Nicolo in vorderster Linie mit Blick auf den schmucken Yachthafen kommen sie alle: die, die dann doch ganz gern gesehen werden wollen, und die, die darauf gut verzichten können und einfach nur sehr gut essen möchten – unter Palmen und Platanen, zwei Schritte von der Hafenzeile aus alten Fischerhäusern, 15 Schritte vom Mittelmeer. 

Italienische Fußball-Stars kehren hier ein, Mode-Designer wie Roberto Cavalli, die Fiat-Besitzerfamilie Agnelli, der Bulgari-Juwelen-Clan – und alle reservieren zur Sicherheit vorher. Wichtig ist das nur im August, wenn ganz Italien zeitgleich Urlaub macht. In allen anderen Monaten ist fast immer auf Anhieb ein Tisch zu bekommen. Aber offenbar hat niemand Mister Cruise davon erzählt. 

Das Da Nicolo begrüßt Gäste wie Tom Cruise 

Der Mann aus Hollywood bestellte einfach außer Haus: Filet vom St. Petersfisch mit Babykartoffeln, Rinderfilet mit Pecorino-Kruste, Tempura-Crêpes gefüllt mit Muscheln und Scampis. Leider war kein Kellner frei, um all das zur Yacht zu tragen: zu viel los um diese Zeit. 

„Wissen Sie“, sagt Restaurant-Betreiber Antonello, während er nach der kleinen Geschichte wieder seine große Hornbrille mit den schwarz-grünen Bügeln aufsetzt, „die Insel San Pietro gehört zwar irgendwie zu Sardinien, aber wir sind bodenständig, einfach, fern von großer Show.“ Er nippt an seinem Glas mit kühlem Vermentino vom einzigen Insel-Weingut. Auch ein beliebtes Tagesausflugsziel ist sie, nur 35 Minuten dauert die Fährüberfahrt. „Hier interessiert keinen, was der andere zuhause macht und wer er ist. Ein Millionär? Na und. Ein Werftarbeiter? Warum nicht.“

54 Quadratkilometer groß ist die Insel, weniger als ein Vierhundertstel der Fläche Sardiniens, nur knapp mehr als die halbe Größe von Sylt. Gut 6.200 Menschen leben hier, fast alle in der Hauptstadt Carloforte. Die Gassen hier sind schmal, die Altstadt ist verkehrsberuhigt, und allzu viele Autos gibt es sowieso nicht. Weil Carloforte am Hang liegt, kommen nicht mal die Vespas und Mopeds überall durch. Ihnen sind zu viele Stufen im Weg.

Es gibt nur wenige Hotels 

Fünf Straßen erschließen den Rest der kleinen Insel, jede strahlenförmig in eine andere Richtung. Nur wenige Hotels gibt es, 300 Gästezimmer insgesamt bloß, dazu viele Häuschen, die überall auf der Insel in die Landschaft gewürfelt und meist von dichtem Grün umgeben sind, von Strandhafer oder riesigen Disteln, von Zistrosen und Wacholder, von Aleppo-Kiefern und Steineichen.

Ob unterdessen Tom Cruise wiederkommen will? „Weiß nicht“, sagt Antonello. „Zumindest hat er bislang nicht reserviert.“ Dafür war kürzlich Johnny Depp da. Er hat auf Anhieb einen Tisch bekommen. Wie es dazu kam? „Ganz einfach“, antwortet Antonello. „Es war Juni. Und da ist es kein Problem.“

Helge Sobik
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