Nationalpark des Calanques: Zwischen Marseille und Cassis reihen sich Felsbuchten und schroffen Steilwände aneinander
„Wahnsinn!“, entfährt es der Rucksackträgerin. Abrupt bleibt die junge Frau stehen und kramt die Kamera heraus. Wanderführer Marc Bellon muss lächeln: „Das ist die übliche Reaktion an dem Punkt, wo die Calanque de Sugiton plötzlich in ihrer ganzen Schönheit voraus liegt“.
Schroffe, weiß leuchtende Kalkfelsen umrahmen die tiefblaue Bucht. Einzelne Aleppo-Pinien halten Wache an den steinernen Schründen. Wie gehämmertes Silber glänzt die See im Gegenlicht. Nirgendwo an Frankreichs Mittelmeerküste entfaltet die Landschaft eine solche Dramatik wie in den Calanques zwischen Marseille und Cassis.
Gebiet steht seit 1975 unter Naturschutz
Rund ein Dutzend größere und unzählige kleine Buchten mit glasklarem Wasser reihen sich an der durch Erosion gebildeten Steilküste aneinander. Seit 1975 steht das Gebiet bereits unter Naturschutz. 2012 wurde es dann zum Parc National des Calanques deklariert und rühmt sich seitdem, der einzige Nationalpark Europas zu sein, der in unmittelbarer Nähe einer Großstadt einen Naturraum zu Land und Wasser unter Schutz stellt.
Fast nirgendwo dürfte es ein Ziel am Mittelmeer geben, das so bequem mit dem Zug zu erreichen ist. Von Frankfurt am Main aus fährt der ICE/TGV in weniger als acht Stunden direkt nach Marseille. Zugestiegen werden kann in Mannheim, Karlsruhe und Baden-Baden.
Beginnen kann man den Wanderurlaub in der Calanque de Callelongue, die von Marseille aus mit dem Bus Nr. 20 erreichbar ist. Hier beginnt der Weg in die Wildnis. Gleißend hell kontrastieren die Kalkfelsen vor dem schimmernden Türkis der See. Die Calanque de Morgiou, etwa auf halber Strecke der Felsküste gelegen, wäre ein schöner Platz für eine Herberge, die es jedoch nirgendwo gibt. Wer die Calanques zu Fuß erkunden will, muss daher die gesamte Strecke auf zwei Tage aufteilen und die Nacht dazwischen in Marseille verbringen.
Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind Voraussetzung
Nach sechs Stunden Wanderung am ersten Tag geht es vom Unigelände im Vorort Luminy mit dem Stadtbus zurück in die Metropole. Am anderen Morgen fährt man wiederum hinaus nach Luminy und läuft die noch etwas anspruchsvollere, weil mit kleinen Kletterpartien durchsetzte restliche Strecke bis ins überaus malerische Hafenstädtchen Cassis mit Bus- und Zuganschluss. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit sind in jedem Fall Voraussetzung, Sonnenschutz und genug Trinkwasser unabdingbar.
Von Anfang Juni bis Ende September ist der Zugang zum Parc National des Calanques wegen Busch- oder Waldbrandgefahr allerdings häufig eingeschränkt oder ganz verboten. Kein Wunder, denn hier fallen im ganzen Jahr nicht mehr als 300 Millimeter Niederschlag. Im Hochsommer muss man daher unbedingt vorab Auskunft über eventuelle Einschränkungen einholen.
Aber ohnehin sind die Calanques im Frühjahr oder Herbst viel reizvoller sowie bei milden Temperaturen auch leichter zu gehen. Dann hat man Frankreichs mediterrane Fjorde auch fast für sich alleine. Schön ist auch, die Calanques von der Wasserseite aus anzuschauen, etwa bei einer Bootstour ab dem View Port von Marseille.