Italien

Am Sporn des Stiefels

In Peschici wohnen zahlreiche Millionäre

In Peschici wohnen zahlreiche Millionäre. Foto: Pilat666/istock

Apulien bietet mehr als die berühmten Trulli – alte Landgüter zum Wohnen, ein Ort der Millionäre, Öhrchen, Taralli und Aglianico

Die Masseria ­Torre Maizza wird von Rocco Forte Hotels ­geführt

Die Masseria ­Torre Maizza wird von Rocco Forte Hotels ­geführt. Foto: jm

Die Verkäuferin steht seelenruhig da. Unter ihr liegt die weiße Stadt Ostuni. Sie ist umgeben vom wöchentlichen Markttreiben und wird befragt von neugierigen Touristen. Denen erklärt sie dann geduldig, was dieses komisch aussehende Gebäck ist, das sie aufgetürmt an ihrem Stand anbietet: Taralli, die typischen, mit Anis gewürzten Kekskringel aus Apulien. Die Fremden probieren gern. „Ohh, ja, lecker!“ Und kaufen dann doch nichts.

Wer glaubt, Italien zu kennen, sollte mal einen 
Abstecher nach Apulien machen. Irgendwie ist dort alles anders. Die Menschen sind ruhig und gelassen, gestikulieren nur halb so viel wie im Rest von Italien. Auch die Kringel, die Häuser, das Abendessen, ja sogar die Millionäre sind anders – doch alles der Reihe nach.

Ein Ort der Millionäre

Apulien beginnt am Stiefelabsatz Italiens und zieht sich über 600 Kilometer nach Norden, bis zum Sporn, dem Gargano. Dort hat eine Tippgemeinschaft einst Lotto gespielt, den Jackpot geknackt und mehr als 30 Millionen Euro abgeräumt. Dass das Geld glücklich gemacht hat, kann man jedoch nicht behaupten. Jeder, der sich auch nur ein neues Fahrrad gekauft hat, wurde verdächtigt: „Ecco, da ist wieder einer: ein Millionär!“

Der Ort der Millionäre heißt Peschici und wer mehr über die Geschichte der Millionäre hören will, geht zum dortigen Frisör. Er kennt sie alle! Auch alle Gewinner kommen zu ihm. Und wer bei einem der Lotto-Millionäre wohnen möchte, bucht das Hotel d’Amato. 

Reich sind in Apulien die wenigsten. Gut, Apulien ist kein Armenhaus wie die Basilikata oder Kalabrien. Aber aufs Geld schauen musste man schon immer. Und so sind auch diese putzigen, runden Zipfelmützenhäuschen entstanden. Wenn man sie sieht, denkt man: Jetzt kommt gleich ein Schlumpf heraus. Das ist das Postkarten-Apulien. Weniger bekannt ist: Vielfältiger als in Apulien zu Abend essen kann man kaum in Italien. Ehe man sich verguckt hat, ist der Tisch voll mit kleinen Schälchen. Giuncata-Käse, Wild-Salami, Seeigel, Pulpo … Bezahlt wird nur, was man angerührt hat. Dazu ein Aglianico, der so fein und elegant wie ein Barolo ist, am besten vom Weingut Antinori, das Apuliens Weine von Masse zu Klasse geführt hat.

Übernachten in ehemaligen Bauernhöfen

Zum Wohnen wählt man eine der wunderbaren Masserie, alte Landgüter, die hübsch zu Hotelchen hergerichtet wurden. Einige der ehemaligen Bauernhöfe bieten Zimmer ohne Fernseher und Minibar an, dafür liebenswürdigen, unaufdringlichen Familienanschluss: ob beim Sonntagsessen oder abends, wenn der Patrone mit einem Likörchen auf seine letzten Gäste wartet. In der Masseria Torre Maizza in der Region Brindisi, der vielleicht schönsten Masseria in Apulien, wohnt man nicht nur romantisch, sondern lernt auch, wie man diese Öhrchen macht. So lautet die Übersetzung für Orecchiette, der wohl interessantesten Form aller 500 italienischen Pasta-Sorten.

Ein weiterer Trumpf ist Apuliens Natur. Stille, 
bizarr geformte Felsbuchten im Gargano, authentische Fischerorte, wo der Tintenfisch so lange am bloßen Stein geklopft wird, bis er schön weich und zart und ohne Tinte ist. Dazu kommt das bäuerliche Hinterland mit uralten Olivenbäumen, Orangenhainen, blühenden Oleander und hohen Palmen.

Und schließlich gibt es noch das Castel del Monte, das nüchtern auf seinem Hügel thront. Der wie ein in sich geschlossener Kristall wirkende Bau hat etwas Ehrwürdiges, Unantastbares und bekam nach den Trulli den zweiten Weltkulturerbestatus in Apulien. 

Jochen Müssig