Grenada

Grenada: Frischer Fisch

Beim Fish Friday werden allerlei Arten Fisch serviert. Foto: FVA Grenada

Immer freitags wird im Hafenstädtchen Gouyave gefeiert

Schwertfisch, gekocht oder frittiert? Erschlagen von der Fischauswahl verharre ich vor der Theke des Straßenstands. Für mein Zögern hat die füllige Tresendame unter der Plastikplane keine Zeit. Ohne meine Entscheidung abzuwarten, greift sie ein Stück frittierten Fisch, stopft es in eine Styroporpackung und reicht es über die Theke.

Es ist Fish Friday. Es riecht nach Frittierfett im Fischerort Gouyave an der Westküste der Karibikinsel Grenada. Und es ist eine dieser Nächte, wo Steel-Bands trommeln und Rastafaris mit Touristen gemeinsam schwitzen und wie in einer lebendig gewordenen Rum-Werbung zusammen feiern.

Jeden Freitag wird dieses Open-Air-Event veranstaltet. Auf der städtisch organisierten Party kann die schwarze Inselbevölkerung für wenige Stunden die Sorgen vergessen. Denn der Ort und die Insel leiden noch immer unter den Folgen des Hurrikans Ivan, der Grenada im Herbst 2004 mit einer immensen Wucht heimsuchte und schädigte.

In der St.-Peter-Street drängeln sich die Festbesucher. Touristen sind unter den feiernden Einheimischen in der Unterzahl – jedenfalls in der Nebensaison. Das Straßenbild bestimmen dunkelhäutige Mädels in türkisen Tank Tops, die Ohren mit Kreolschmuck behängt, während die männlichen Halbstarken in Fußballtrikots und dicken Katzengoldketten um den Arm und den Hals mit dem Pappbecher voll Bier lässig an den pastellfarbenen Häuserwänden lehnen.

Manche ihrer Eltern sind arbeitslos oder zumindest unterbeschäftigt. Früher arbeiteten sie im Muskatnussgewerbe, das in Gouyave seinen Hauptsitz hat. Vor dem Hurrikan besichtigten auch Kreuzfahrtgäste die Muskatnussfabrik, doch Ivan zerstörte 90 Prozent der Bäume und somit einen der wichtigsten Wirtschaftszweige der Insel. Neue Bäume wurden zwar gepflanzt, doch sie brauchen Jahre, bis sie Früchte tragen. So ist die Fabrik heute an manchen Tagen menschenleer – es herrscht Kurzarbeit.

Nach dem Hurrikan erdachte sich ein städtisches Komitee den Fish Friday, um den Tourismus anzukurbeln. Ausländische Spenden halfen beim holprigen Beginn des Straßenfestes, das sich mittlerweile zu einem touristischen Pflichtprogramm entwickelt hat.

Auf dem Fest trinkt gerade ein schwedischer Tourist 70-prozentigen Rum der Inselmarke River St. Antoine. Das Gebräu raubt ihm den Atem, die Freunde johlen, tanzen unter der Lichterkette der St.-Peter-Street zur Live-Musik bis nachts um halb eins. Dann ist die Party vorbei, aber schon nächsten Freitag beginnt sie von Neuem.
Arne Hübner