Kanada

Alberta: Loipen in die Stille

Wer mit Langlaufskiern in den kanadischen Rockies unterwegs ist, trifft höchstens ein paar Luchse. Foto: ws

Langlaufen in Alberta, wo man die Rocky Mountains noch fast ganz für sich allein hat

Wenn die Bären dieses Panorama sehen könnten! Doch die schönsten Aussichten auf den Banff-Nationalpark verschlafen die Grizzlys komplett. Sie halten Winterruhe.

„Um als Langläufer auf einen Grizzly zu treffen, muss man schon ein echter Pechvogel sein“, sagt Randy Fagan. Der Ski-Guide steht vor einem gefrorenen Wasserfall und lässt den Blick über die Gebirgskette hinter dem Lake Louise wandern. Wölfe, Luchse und Pumas streifen hingegen auch im Winter durch die Rocky Mountains.

Der Banff-Nationalpark ist der älteste und auch der meistbesuchte Kanadas. Der ungeheure Besucherstrom stellt Naturschützer und Parkverwaltung vor gewaltige Herausforderungen: Die Lifte von Lake Louise oder des bis zu 2.770 Meter hoch gelegenen Sunshine Village sind von November bis Mai geöffnet. Dann herrscht hier Après-Ski statt stiller Winterzauber.

Im Peter-Lougheed- oder Spray-Valley-Naturpark im wilden Kananaskis Country haben Naturliebhaber die Rocky Mountains ganz für sich allein. Wer es abenteuerlich mag, kann sich hier auch eine eigene Route von Hütte zu Hütte zusammenstellen, die die Kanadier Backcountry Huts nennen. Einige der Unterkünfte sind im Winter nur auf Skiern zu erreichen.

Auf dem Bryant Creek Trail im Spray Valley umgibt den Langläufer eine schneeflockenumsäuselte Stille. Die Loipe führt tief in die Waldeinsamkeit zum Watridge Lake. Sein türkisblaues Wasser hat sich längst in eine weiße Schneefläche verwandelt. Noch eindrucksvoller ist der Marvel Lake mit dem matterhorngleichen Mount Assiniboine als Wächter. Irgendwann verliert sich die Spur im Neuschnee und der Entdecker muss sich seinen eigenen Weg durch die Wildnis bahnen.

Wer von der Weltabgeschiedenheit nicht genug haben kann, mietet sich eine Nacht in der Hütte von Bryant Creek ein oder schlägt sich über den Wonder-Pass bis nach British Columbia durch.
Weniger Abenteuerlustige nehmen mit der urgemütlichen Mount Engadine Lodge vorlieb. Hier kann man sich nach einer anstrengenden Skitour nicht nur am Kaminfeuer aufwärmen, sondern wird auch fürstlich bekocht.

„Fast jede Nacht haben wir hier Elche zu Besuch“, verrät Mitarbeiter Nick Kostiuk. „Im Herbst konnten wir sogar ein Rudel Wölfe beobachten.“

Wenn bei Nacht Wolfsgeheul von den umliegenden Berghängen tönt, kriecht ein unheimlicher Schauer unter die warme Bettdecke. Und ist das Knacken da etwa ein Elchbulle oder gar ein Puma? Morgen in aller Frühe werden es ihre Spuren verraten. Dann steht ein neues Skiabenteuer an. Tröstlich, dass wenigstens die Grizzlys schlafen.

Win Schumacher