Chile

Weiß wie Schnee, schwarz wie Vulkanerde

Blick auf den Villarica-Vulkan.

Die Region Araukarien im Süden wird wenig besucht – zu Unrecht

Araukarien am Sollipulli-Vulkan. Fotos: smk

Dichter Nebel wälzt sich am Morgen über den Berg am Rande des Sollipulli-Vulkans und verleiht dem Aufstieg etwas Mystisches. Matschige, teils steile Pfade führen den Berg hinauf, dessen Bäume wie windschiefe Türme aufragen. Dazwischen ein Wasserfall, der im Morgenlicht aus dem Himmel zu fallen scheint. Dann taucht sie auf: eine Araukarie, eine Andentanne. Hier oben ist ihr Reich. Vom Nebel umspült steht sie wie ein Wächter da und kündigt in ihrer geisterhaften Gestalt den Araukarienwald an. Fremdartig wirkt er. Besonders am Hang des Sollipulli.

Eine irre, surreale Landschaft: Der hier beginnende Schnee erscheint wie fließende Milch, aus der Vulkanerde wie eingesprenkelte Schokoladeninseln hervorlugt. Dazwischen Araukarien, die der in Chiles Süden gelegenen Region den Namen gaben. Über Schneefelder, Vulkanerde und Geröll hinweg, vorbei an Türkis schimmernde Lagunen, geht es zum Gipfel, auf 2.300 Metern Höhe. Die Andenkordillere, die Chile mit dem argentinischen Nachbar verschweißt, löst sich hier allmählich auf, mündet in eine Kette von 150 erloschenen, ruhenden und aktiven Vulkanen. Oben angelangt erstreckt sich ein monströser Gletscher im Kraterinneren. Ungehindert schweift der Blick bis zur argentinischen Pampa. Nur ein Andenritt ist schöner."

Mit dem Pferd durch Chile zu reisen hat schon fast etwas Spirituelles", sagt Mathias Boss, während wir am Tag darauf durch einen Wald reiten. Der deutsche Auswanderer betreibt die Reitfarm Campo Antilco, nicht weit von Pucon, dem Eldorado für Outdoor-Touristen in Chiles Süden. Neben uns ein rauschender Fluss, vor uns blühende Natur und der Villarrica-Vulkan - ein fast unwirkliches Panorama, das nur wenige Touristen kennen. Araukanien will dies ändern, um von den landesweiten Gästezahlen stärker zu profitieren: Von den rund 63.600 Deutschen, die 2013 Chile besuchten, reisten nur 3.000 nach Araukanien.

"Chilenische Schweiz" wird diese Region genannt, wegen der Wälder, der Wiesen mit Schafen und Angus-Rindern, der Gebirgsseen und schneebedeckten Gipfeln, wie beim Villarrica-Vulkan. Für die Mapuche-Indianer ist er der "Berg des Teufels". Die freiheitsliebende Bevölkerungsgruppe bildet die Mehrheit der indigenen Chilenen. Auch viele Deutsche leben hier - Nachfahren der Auswanderer in dritter Generation, deren Einfluss gelegentlich sichtbar ist. In Temuco, dem Zentrum der Region, weiß der Besucher manchmal nicht, ob er sich gerade in Deutschland oder Südamerika befindet.
Sascha Kleis