Brasilien

Ouro Preto: Ein koloniales Juwel

Blick über einen Teil des weit auseinander gezogenen Städtchens Ouro Preto

Ein Besuch in der Stadt gleicht einer Zeitreise

Die Kirche Nossa Senhora do Carmo. Fotos: ad

Eine unglaubliche Kirchenpracht, idyllische Plätze und Sträßchen. Historische Häuserfassaden, eine herausgeputzter als die andere. Das ist der Stoff, aus dem Ouro Preto gestrickt ist. Die Kleinstadt versteckt sich in der Hügelwelt des Bundesstaates Minas Gerais, etwa 400 Kilometer nördlich von Rio de Janeiro, und zählt zum Weltkulturerbe der Unesco.

Ihre Existenz verdankt sie dem Goldrausch im 18. Jahrhundert, der Ouro Preto zur reichsten Stadt der „Neuen Welt“ machte. „Offiziell wurden damals 650 Tonnen Gold gewonnen, dazu dürften etwa 300 Tonnen durch Schmuggel gekommen sein“, weiß Guide Gustavo, der unterhalb des Zentrums durch die Minas do Palacio Velho führt, vormals einer von mehreren Hundert Minenkomplexen.

Schuften in den Stollen
Drinnen riecht es feucht, modrig. Treppen ebnen Besuchern bequem die Wege. Das Dunkel der Gänge ist ausgeleuchtet. Die Qualen und Schindereien von einst lassen sich allenfalls ansatzweise erahnen. Denn – und das ist die Kehrseite der Medaille, die Gustavo nicht verschweigt – in die Stollen wurden Sklaven aus Afrika geschickt, die ohne Gnade bis zur Erschöpfung schufteten. Bei Ungehorsam drohte die öffentliche Exekution. Auf dem Sklavenmarkt betrug der Preis für einen „gut gebauten, kräftigen“ Schwarzen ein Kilo Gold.

Wer Ouro Preto richtig entdecken will, braucht Energie. In keiner anderen der sehenswertesten Kolonialstädte Südamerikas verlaufen die Gassen derart lang und steil auf- und abwärts. Entspannung im oberen Teil verheißt der Platz Tiradentes, der lebhafte Dreh- und Angelpunkt der Stadt. Hier und andernorts strahlen Türen und Fensterrahmen inmitten leuchtweißer Fassaden um die Wette: rot, gelb, himmelblau, dunkelgrün, türkis. Im Innern der aufpolierten Häuser haben Galerien und Souve-nirshops ebenso Einzug gehalten wie Cafés, Restaurants und Fast-Food-Bräter.

Kolonialstadt mit vielen Kirchen
Ein Highlight unter den annähernd 20 Kirchen ist die im Rokokostil gehaltene Basilika Nossa Senhora do Carmo, in Auftrag gegeben von den Karmelitern. Erbauer war Manuel Francisco Lisboa, Vater des bekanntesten Sohnes der Stadt, den man als Aleijadinho (1738 bis 1814) kennt. Dieser avancierte zum bedeutendsten Baumeister und Bildhauer des brasilianischen Barocks.

Nah an der Grenze zum Kitsch fühlt man sich in der Sakristei der Kirche Nossa Senhora do Carmo. Dort schaut man zu einem Christusbildnis mit wüstester Haarpracht auf und zu aufgemalten Engeln, die so wirken, als hätten sie Lippenstift aufgelegt.

Aleijadinho gestaltete diverse Kirchen in Ouro Preto, auch die Igreja Sao Francisco de Assis. Die beiden Rundtürme der Fassade der Kirche liegen leicht rückversetzt. Beispiele seiner Holzschnitzkunst finden sich in der museal aufgezogenen Sakristei.

Bei Dunkelheit verströmt Ouro Preto ein Plus an Flair: wenn die Tagesbesucher abgezogen sind, das monumentale Erbe in dezenter Beleuchtung erstrahlt und die Lichtreflexe über das Kopfsteinpflaster fluten.

Andreas Drouve
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