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Metaverse: Der nächste Flop der VR-Brille?

Aus der Touristik sind VR-Brille aktuell mehr oder weniger verschwunden

Aus der Touristik sind VR-Brille aktuell mehr oder weniger verschwunden. Foto: Tirachard/istockphoto

Für Facebook-Gründer Mark Zuckerberg ist es die Neuerfindung der virtuellen Welt. Doch so langsam mehren sich die Zweifel: Das 3D-Konzept Metaverse kommt nicht so richtig in Gang und gerät immer mehr in die Kritik. Viele IT-Experten halten das Projekt schon jetzt für den größten Flop der Internet-Geschichte.

Kaum noch VR-Brillen in der Touristik

Manches erinnert dabei an den kurzen Hype um Second Life oder das Nutzen von VR-Brillen: Beides verschwand nach einem kurzen Boom wieder in der Versenkung, obwohl sich gerade die Touristik einiges davon versprach: Kaum eine Tagung verging vor Corona, ohne dass Hotelketten, Destinationen und Kreuzfahrtanbieter wie TUI Cruises und Arosa Reiseverkäufer per VR-Brille durch ihre Hotels, Zielgebiete und über ihre Schiffe führten.

Heutiges Fazit auch für den Gebrauch im Reisebüro selbst: zu teuer, zu aufwändig und ohne großen Mehrwert. Entsprechend zurückhaltend ist die Branche deshalb auch beim Thema Metaverse: „Wer sich jetzt auf Teufel komm raus mit seinem Hotel im Metaverse präsentiert, wird davon sehr wahrscheinlich nicht direkt profitieren“, sagt etwa Florian Müller, CEO des Schweizer Unternehmens Software Brauerei AG, im Gespräch mit der ta-Schwesterzeitschrift CIM.

Metaverse: 3D-Internet der Zukunft?

Dabei geht die Idee von Meta-Chef Mark Zuckerberg weit über alle bisherigen VR-Konzepte hinaus: Das Metaverse soll als 3D-Internet die Zukunft neu definieren. Mit Hilfe von Avataren werde die Technologie virtueller Interaktion in spektakuläre Dimensionen gehoben, so die mutige Vision.

Dass das funktioniert, glauben die meisten Investoren nicht: Seit Monaten verliert der Meta-Konzern massiv Wert an den Börsen, zwischenzeitlich waren es täglich rund 1,5 Milliarden Dollar. Pro Tag wohl gemerkt.

Neuestes Headset kostet 1.500 Euro

Der jüngste Schritt in diese Richtung ist das Headset „Oculus Pro". Es soll als Einstiegsbrille ins Metaversum dienen, hat aber mit 1.500 Dollar einen stolzen Preis. Das Gerät koste „so viel wie eine PS5, Xbox Series X und Quest 2 zusammen", schimpft das Magazin Forbes. Aber ohne Brille geht nun einmal nichts im Metaverse.

Bislang geringe Nutzerzahlen

Das Grundproblem: Die Nutzerzahlen des Systems sind auch ein Jahr nach dem Start noch immer gering. So schätzt Florian Müller von der Software Brauerei, dass es momentan „weltweit erst mehrere Zehntausend regelmäßige Nutzer“ des Metaverse gibt.

Kritisiert wird zudem die altmodische und rudimentäre Grafik. „Nicht viel besser als Second Life“, hörte man zuletzt auf einigen Tagungen der Touristik sowie der Hotel- und Veranstaltungsbranche. Das Milliarden-Projekt sei zum Scheitern verurteilt, weil es den Menschen keinen evidenten Nutzen liefere.

Das sehen freilich nicht alle so. Auch sie habe anfangs gedacht, „dass das Metaverse ein vollkommen unnötiger Hype ist, den kein Mensch braucht“, gestand im Juni dieses Jahres Larissa Steinbäcker, Co-CEO der Proske GmbH, in einem Interview mit der ta-Schwesterzeitschrift CIM. Das Unternehmen mit Sitz in Rosenheim bietet maßgeschneiderte digitale Lösungen für Marketing- und Event-Management und realisiert über eine eigene Plattform Veranstaltungen aller Art und Größe in einem virtuellen Raum.

Es gibt auch Verfechter des Metaverse

„Nur weil Mark Zuckerberg mit seinen Videos zeigen wollte, wie er sich die Zukunft vorstellt“, habe sie das noch lange nicht überzeugt, sagt Steinbäcker. Inzwischen ist sie anderer Meinung – so wie auch ihr Kollege Christian Holtz. Für ihn war „recht schnell klar, dass Metaverse etwas grundlegend anderes ist“. „Mit der Kombination aus Blockchain, NFT, Augmented Reality und Virtual Reality biete das Metaverse „viele Vorteile – gerade für die Event- und Meeting-Branche.“

Dem will sich auch Florian Müller von der Software Brauerei nicht verschließen. Denn eines sei klar: Egal was aus Metaverse wird – das Web 3.0 werde kommen. Und es werde der Touristik- und Hotelbranche eine ganze Palette neuer Werkzeuge bieten – inklusive digitaler Währungen.

Viele Hotels sehen Chancen für Vermarktung

Das freilich ist noch Zukunftsmusik, während das Metaverse für einige Hotelketten schon Realität ist. Sie nutzen die Technik, um eine völlig neue Art der Site-Inspections anzubieten.

Unterstützt werden sie dabei von Unternehmen wie Rendez Verse: Der Anbieter mit Sitz in London und Bali hat sich genau darauf spezialisiert. Das Geschäftsmodell ist simpel: Hotels können sich im Metaverse präsentieren, um potenzielle Urlauber, touristische Vertriebspartner oder Event- und Veranstaltungsplaner für sich zu begeistern. Immer mit der Voraussetzung, dass Interessenten über VR-Brillen verfügen.

Atlantis The Palm mit dabei

Mit an Bord bei Rendez Verse sind aktuell unter anderem das Intercontinental Paris le Grand, das Atlantis The Palm Dubai, das Madrid Marriott Auditorium, das JW Marriot Marquis Dubai und das Hyatt Centric Gran Via Madrid. Bei ihren Präsentationen läuft der Betrachter mit VR-Brille virtuell dem zuständigen Avatar hinterher, schaut sich in Ruhe die Zimmer, das Bad und die Aussicht an und teleportiert sich anschließend in die Lobby, den Festsaal, den Meeting-Raum oder an den Strand.

Bei Rendez Verse gibt man zu, dass die Technik mit der großen Brille noch ein wenig klobig und umständlich ist. Aber das werde sich ändern. Geschäftsführer Peter Gould ist überzeugt, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis eine Vermarktung über das Metaverse für Hotels und andere Locations so selbstverständlich ist wie heute die eigene Internet-Seite.

Ungewisse Zukunft für das Metaverse

Ob der Chef von Rendez Verse mit dieser Aussage recht behält, ist zurzeit mehr als offen. Wenn, wie zuletzt angekündigt, die wichtigste Investition darin bestehe, virtuelle Charaktere mit Beinen auf den Markt zu bringen, sei etwas schiefgelaufen, monieren Kritiker. Das Problem des Metaversums bestehe darin, eine Science-Fiction-Realität zu erzwingen, lange bevor der Rest der Gesellschaft sie tatsächlich haben will oder braucht.

Das Fazit der Kritiker: Zuckerbergs Version eines auf VR-Brillen basierten Metaversums bleibe auch mittelfristig eine Nische. Oder werde sogar bald gänzlich vom Markt verschwinden. Mit einer Ausnahme: dem stark wachsenden Gaming-Markt.

Susanne Layh, Matthias Gürtler
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