Der Mitte März vom Handelsblatt aufgedeckte mutmaßliche Datenskandal bei RTK und FTI ist ein tatsächlicher Skandal. Und er ist dramatischer als befürchtet – auch wenn viele Fragen nach wie vor nicht beantwortet sind. Fakt ist: Laut dem von RTK in Auftrag gegebenen Gutachten der Kanzlei CMS Hasche Sigle hat die Burghausener Kooperation zwischen 2015 und März 2023 umfangreiche Umsatzzahlen von Reisebüros an FTI weitergegeben. Betroffen sind dem Vernehmen nach auch Umsätze von anderen Verbünden der RTK-Gruppe, beispielsweise Alpha und TUI Travel Star.
Offen ist auch, wie detailliert die Informationen waren. Da sie offenbar direkt aus der RTK-Vertriebsdatenbank kamen, dürften sie jedoch äußerst umfangreich gewesen sein. „Genau das war für uns bislang unvorstellbar und zerstört das aufgebaute Vertrauen in RTK in seinen Grundfesten“, zeigt sich der Vertriebschef eines Veranstalters geschockt, der seit Jahrzehnten eng mit RTK zusammenarbeitet. Man werde sehr genau prüfen, welche Konsequenzen man ziehen werde.
Keine Weitergabe von Kundendaten
Einzig positive Nachricht der Untersuchung ist, dass offenbar keinerlei Kundendaten weitergegeben wurden. Die Kanzlei Hasche Sigle sieht in dem Vorgehen von RTK zudem weder einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht noch gegen das Kartell- oder Strafrecht. Die Untersuchung hätten jedoch ergeben, dass die „Datenübermittlungen nicht im Einklang mit vertraglichen Vereinbarungen standen", konstatiert Harald Potinecke, der für die Prüfung zuständige Partner der Kanzlei.
Zusammenarbeit habe sich „verselbstständigt“
RTK selbst betont, dass es ursprünglich darum gegangen sei, in der Zusammenarbeit mit FTI „die Option auf Zusatzprovisionen für die Partnerbüros der Kooperation zu schaffen". „Leider“ habe sich die „im Sinne der Reisebüros gut gemeinte Zusammenarbeit verselbstständigt und ist über das Ziel hinausgeschossen", gesteht der langjährige Geschäftsführer der Kooperation, Thomas Bösl.
Der RTK-Chef betont, dass es immer die freie Entscheidung der Reisebüros geblieben sei, „welche Veranstalterprodukte sie ihren Kunden verkaufen“. Gleichwohl dürften „einzelne Aktionen der RTK niemals in Konflikt zum fairen und partnerschaftlichen Miteinander mit anderen Geschäftspartnern geraten", so Bösl.
Er selbst sehe sein vorrangiges Ziel momentan darin, den Vorgang „vollständig aufzuarbeiten und die richtigen Ableitungen für die Prozesse innerhalb der RTK zu ziehen“. Zudem gehe es darum, verloren gegangenes Vertrauen „unserer Reisebüro-Partner und Veranstalter zurückzugewinnen".
Lars Helmreich lässt Posten „ruhen“
Einzige personelle Konsequenz ist bis dato, dass RTK-Geschäftsführer Lars Helmreich seine Position „bis zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts“ ruhen lässt. Dies betrifft sowohl seine Führungsposition bei RTK als auch bei TUI Travel Star. Die Geschäftsführung von Reiseland sowie der Raiffeisen-Vertriebs GmbH, in der die Filialen der Gruppe gebündelt werden, ist davon nicht betroffen.
Hintergrund dieser Entscheidung ist laut Helmreich, dass die Projektgruppe, in deren Verantwortung die Datenweitergabe an FTI lag, in seinem Geschäftsführungsressort angesiedelt gewesen sei. „Ich möchte die Aufklärung dadurch unterstützen, dass ich mein Amt als Geschäftsführer einstweilen ruhen lasse", erklärt Helmreich. Die Gesellschafter sind einer Pressemitteilung zufolge diesem Angebot nachgekommen.
Bösl: „Ich stehe zu meiner Verantwortung“
Thomas Bösl will sich unterdessen nicht aus der Verantwortung stehlen. RTK nehme die erste Untersuchung durch CMS zum Anlass, den Vorgang „weiter aufzuarbeiten und den künftigen Umgang mit Daten insgesamt auf den Prüfstand zu stellen“. Die Gesellschafter hätten deshalb ergänzend zu der juristischen Überprüfung durch CMS eine renommierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft beauftragt, die nun die Abläufe und Prozesse überprüfen sollt. Gleichzeitig werde RTK das eigene Compliance-System neu ausrichten.
FTI bedauert „Irritationen“
Äußerst dürftig fällt bisher die Reaktion von FTI aus. Man habe „das Ergebnis der rechtlichen Prüfung zur Kenntnis genommen“, heißt es auf Anfrage von touristik aktuell. Und weiter: „Wir hatten bislang keine Kenntnis über die Vertragskonditionen zwischen den Reisebüros und der RTK-Zentrale. Unabhängig von der rechtlichen Beurteilung haben wir jegliche Nutzung von RTK-Daten eingestellt und werden durch geeignete Maßnahmen sicherstellen, dass sich derartige Aktionen nicht wiederholen. Wir bedauern, wenn es dadurch bei unseren Vertriebspartnern zu Irritationen gekommen sein sollte.“
Wie reagieren Veranstalter und Mitgliedsbüros?
Offen ist aktuell, wie Reiseveranstalter und Mitgliedsbüros von RTK reagieren. Einige Agenturen haben in Gesprächen mit touristik aktuell bereits angekündigt, aufgrund der Vorfälle nach einem anderen Reisebüro-Verbund Ausschau zu halten.
Ein Mitglied hat die entsprechende Konsequenz bereits gezogen: Die mobile Vertriebsmarke Solamento kündigte ihre Mitgliedschaft zu Ende Oktober. Die Begründung: „Vertrauensmissbrauch".